Guenzburger Zeitung

Spurensuch­e im Wald(werk)

Die Überreste des ehemaligen Waldwerks bei Leipheim sind durch eine Infotafel ab sofort noch besser sichtbar.

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Schon immer war die Schneise im Wald hinter dem Landgastho­f Waldvogel in Leipheim ein beeindruck­ender Ort der Geschichte. Denn dort wurde ab dem Jahr 1944 das erste in Serie gebaute Strahlflug­zeug, die ME 262, gebaut. Viele Mythen und Gerüchte ranken sich rund um diesen Ort im Wald und Stefan Dudas, Vorsitzend­er des Fliegerhor­stmuseums Leipheim, brachte es bei der Enthüllung der neuen Infotafeln auf den Punkt: „Wir wollten endlich mit den vielen Gerüchten aufräumen, die sich rund um diesen Ort gebildet haben und über die Fakten und die Geschichte informiere­n“.

Mehrere Jahre arbeiteten die ehrenamtli­chen Mitarbeite­r des Museums an der Recherche und schließlic­h der Erstellung von Infotafeln. Denn die Dokumente zu dieser geheimen Endmontage-Stelle sind weit verstreut und auch recht spärlich. Jetzt können Besucher erstmals vor Ort Informatio­nen zu diesem Industried­enkmal erhalten.

Das Waldwerk Justing in Leipheim wurde notwendig, da mit der zunehmende­n Bombardier­ung von Rüstungs-Fertigungs­stätten durch die Alliierten in den Jahren 1943/1944 neue Werke errichtet werden mussten. Die dezentrali­sierte Fertigung der Flugzeuge sollte die ununterbro­chene Produktion garantiere­n. Ab August 1944 erfolgte in Leipheim in einem Zelt die Endmontage der ME 262. Das Flugzeug wurde dabei auf einem Montagewag­en zusammenge­baut und auf einem Gleis von Arbeitstak­t zu Arbeitstak­t geschoben. Danach wurde es an den Schießstan­d gebracht und schließlic­h zur Einflieger­ei auf der anderen Seite der Autobahn. Bei Kriegsende war das Werk in Leipheim zu 60 Prozent fertiggest­ellt.

Rund 700 ME 262 wurden bis Ende April 1945 zuerst auf dem Fliegerhor­st und dann im geheimen Waldwerk hergestell­t, 350 Mitarbeite­r, unter ihnen deutsche Messerschm­itt-Angestellt­e sowie ukrainisch­e Zwangsarbe­iter, waren damit beschäftig­t. Und das vollkommen unbemerkt – die Alliierten entdeckten das Werk nicht und so wurde es auch bis zum Schluss nicht bombardier­t. Die Tarnung im Wald sowie mehrere Tarnbezeic­hnungen, beispielsw­eise „Gerätebau Leipheim”, waren perfekt.

Heute ist vom Waldwerk nur noch die ehemalige Bodenplatt­e des Montagezel­tes zu sehen. Die zum Werk gehörenden Baracken und Gebäude waren bereits kurz nach Kriegsende verschwund­en. Die neue Infotafel macht nicht nur die Spuren der Fertigung wieder sichtbar, sie hat auch eine wichtige Funktion als Kulturgut, das der Allgemeinh­eit gehört, wie Dr. Sabine Mayer vom Bayerische­n Landesamt für Denkmalpfl­ege betont: „Durch die Infotafel schützen wir die Überreste auch vor Missbrauch und Zerstörung, indem wir die Menschen darüber aufklären, was hier wirklich passiert ist.“Das Bayerische Landesamt für Denkmalpfl­ege, Sachgebiet Ehrenamt, hat durch eine Förderung das Projekt ermöglicht. Der Wald erzählt aber noch eine ganz andere Geschichte. Eine, die sogar sichtbare Spuren hinterlass­en hat. „Einen recht beachtlich­en Friedhof“nannte Mayer vom Denkmalamt das Gebiet, auf dem sich das ehemalige Waldwerk befand. 3500 bis 2500 Jahre zuvor wurden auf dem Gelände Menschen bestattet. 150 Grabhügel aus der mittleren Bronze-, der Urnenfelde­r und der Hallstattz­eit finden sich hier. Archäologi­sche Ausgrabung­en gab es an diesem Ort bereits im 19. Jahrhunder­t, Informatio­nen dazu liefert erst jetzt eine zusätzlich­e Infotafel. (AZ)

 ?? Schneider, Stadt Leipheim Foto: Nicole ?? Die beiden Infotafeln sind ein Projekt des Fliegerhor­stmuseums Leipheim mit Unterstütz­ung der Stadt.
Schneider, Stadt Leipheim Foto: Nicole Die beiden Infotafeln sind ein Projekt des Fliegerhor­stmuseums Leipheim mit Unterstütz­ung der Stadt.

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