Guenzburger Zeitung

Länder drohen mit Blockade der Klinikrefo­rm

Baden-Württember­g wirft Lauterbach Wortbruch vor. Ohne Einlenken der Ampel könnte neues Gesetz im Bundesrat scheitern.

- Von Michael Pohl

Der Ampelkoali­tion droht auch nach der für heute geplanten Verabschie­dung der Krankenhau­sreform im Bundeskabi­nett parteiüber­greifender Widerstand aus den Ländern gegen die umstritten­en Gesetzespl­äne. Baden-Württember­gs Gesundheit­sminister Manfred Lucha, der lange die Verhandlun­gen über die Reform aufseiten der Länder geleitet hat, warf in einem Interview mit unserer Redaktion Bundesmini­ster Karl Lauterbach mehrfachen Wortbruch vor und kündigte ohne ein Einlenken der Ampel eine Blockade der Gesetzespl­äne im Bundesrat an.

„Bundesgesu­ndheitsmin­ister Lauterbach hat bei der Krankenhau­sreform den Weg der Verständig­ung mit den Ländern verlassen und hält sich nicht mehr an gemeinsame Absprachen“, kritisiert­e der Grünen-Politiker. Lucha verwies darauf, dass alle Gesundheit­sminister der 16 Bundesländ­er parteiüber­greifend gemeinsame Änderungen der Reform fordern. „Sollte der Bund die Vorschläge der Länder nicht aufgreifen, ist der Gang in den Vermittlun­gsausschus­s unausweich­lich“, sagte er. „Und ob Karl Lauterbach dann ein gemeinsame­s Vermittlun­gsergebnis noch in seiner Amtszeit als Minister erleben wird, halte ich für fraglich“, fügte Lucha hinzu.

Dass Lauterbach die Reform ohne förmliche Zustimmung des Bundesrats als Gesetz beschließe­n und umstritten­e Punkte als Verordnung durchsetze­n wolle, sei nicht rechtmäßig. „Die Länder halten sich eine Klage offen, das hängt vom weiteren Verhalten des Bundes ab“, sagte Lucha.

Bayern, Baden-Württember­g, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein haben bereits ein entspreche­ndes Gutachten in Auftrag gegeben, das dem Bund ein verfassung­swidriges Vorgehen bescheinig­t. „Der Minister glaubt, zentralist­isch vom Bund aus über das Krankenhau­sangebot vor Ort entscheide­n zu können, obwohl die Planungsho­heit laut dem Grundgeset­z bei den Ländern liegt“, sagte Lucha. „Dieses Vorgehen ist exakt 75 Jahre nach Inkrafttre­ten des Grundgeset­zes traurig.“

Lauterbach will den Gesetzentw­urf an diesem Mittwoch nach der geplanten Verabschie­dung im Bundeskabi­nett der Öffentlich­keit vorstellen. Der SPD-Minister will über eine Neuregelun­g der Finanzieru­ng und Leistungsv­oraussetzu­ngen eine Neuordnung der Klinikland­schaft erreichen. Die Versorgung soll damit auf den Bevölkerun­gswandel vorbereite­t werden, da sich ein verschärfe­nder Fachkräfte­mangel und gleichzeit­ig steigende Patientenz­ahlen wegen der alternden Gesellscha­ft abzeichnen.

Kritiker halten die für die Finanzieru­ng der einzelnen Kliniken erforderli­chen neuen Leistungsg­ruppen für kleinere Krankenhäu­ser kaum erfüllbar und warnen vor einer Verschlech­terung der Versorgung vor allem in ländlichen Regionen. Die Bundesländ­er kritisiere­n zudem eine unzureiche­nde Finanzieru­ng allein auf Kosten der gesetzlich­en Krankenkas­sen und der Länderhaus­halte. Ebenso müsse es vor dem Gesetz eine genaue Analyse geben, wie sich die geplanten Regelungen auf die Versorgung in der Praxis auswirken.

„Wir Länder appelliere­n an Herrn Lauterbach, unsere Vorschläge ernsthaft aufzunehme­n“, sagte Lucha. „Wenn Bundesmini­ster Lauterbach nicht auf die Forderunge­n der Länder eingeht, muss der Bundestag die Reform im parlamenta­rischen Verfahren deutlich nachbesser­n“, forderte der Grünen-Politiker. „Am Ende entscheide­t der Bundesrat so oder so.“Dringend sei eine Übergangsf­inanzierun­g für Krankenhäu­ser, die massiv unter den Folgen der Inflation litten. „Hier müssen wir sofort umsteuern und verhindern, dass uns systemrele­vante Kliniken wegkippen.“

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