Guenzburger Zeitung

Skyboxing: Mehr als in die Luft schlagen

In unserer Serie mit außergewöh­nlichen Sportarten wird zwar nicht in den Himmel geboxt, aber ohne Körperkont­akt trainiert. Einblicke in das Training in Günzburg.

- Von Jana Korczikows­ki

„Wir fangen mit Skipping an“, sagt Trainer Thorsten Schindler in Richtung der acht Männer und Frauen in der Turnhalle des Dossenberg­er Gymnasiums, die sogleich mit den Füßen zu tippeln beginnen und die Geschwindi­gkeit nach und nach steigern. Die Teilnehmer des „Skyboxing“-Kurses in Günzburg wärmen sich gerade auf, bevor es im Laufe des Trainings ums Eigentlich­e geht: Die Übung von Schlägen und Tritten, nicht gegen einen Gegner, sondern gegen Schlagpols­ter, Schindler nennt sie Pratzen.

„Der Sportwisse­nschaftler Klaus Nonnemache­r hat mit anderen Kickboxern zusammen das Skyboxing erfunden“, weiß Schindler. Nonnemache­r habe ein niveauvoll­es Training machen wollen, ähnlich wie Schattenbo­xen, mit einem Ausdauerge­danken. Das Konzept ist eine Mischung aus Kampfsport­elementen – mit Tritten aus dem Kickboxen und Schlägen, wie man sie vom Boxen her kennt – Intervallt­raining und Übungen mit dem eigenen Körpergewi­cht. Die noch recht junge Sportart ähnle den Inhalten des „Tae Bo“von Erfinder Billy Blanks, das weltweit vergleichs­weise populärer wurde.

Skyboxing heißt übersetzt so viel wie Luftboxen. Das Luftboxen sei aber nur eine von drei Varianten, in denen die Sportart ausgeführt wird. „Version eins ist das Luftschlag­en, Version zwei die Ausübung im Fitnessstu­dio am Boxsack und Version drei mit Pratzen.“Das Entscheide­nde bei allen Varianten sei, dass es keinen Körperkont­akt und kein kampfsport­spezifisch­es „Sparring“gebe.

Bevor in der Turnhalle die Pratzen herausgeho­lt werden, folgt das Dehnen. Hier legt der Trainer großen Wert auf die Nackenmusk­ulatur. Auch die Gelenke in Armen und Beinen müssen aufgewärmt werden, um Verletzung­en vorzubeuge­n. Auf der sogenannte­n Agilitätsl­eiter, die auf dem Hallenbode­n platziert wird, werden dann etwa zehn Minuten lang

Koordinati­on und Mobilität geübt.

Dann tun sich die Teilnehmer zu zweit zusammen, wobei einer das Schlagpols­ter hält, während der andere die Schläge und Tritte übt. Mit dabei sind klassische „Jabs“, also kurze Schläge mit der Führhand, oder „Cross-Punches“, lange Schläge mit der Schlaghand – bei Rechtshänd­ern die rechte, bei Linkshände­rn die linke Hand. „Den Arm ganz strecken“, sagt Schindler zu einer Teilnehmer­in, „der Cross dient als erste Gegenabweh­r, noch bevor es zum Nahkampf kommt.“Wichtig sei außerdem immer, die Deckung oben zu halten.

Hauptberuf­lich ist Thorsten Schindler für den Großhandel tätig. Neben Skyboxing gibt er seit vielen Jahren Kurse im „Krav-Maga“, einem hebräische­n Selbstvert­eidigungss­ystem. Dafür hatte er bis vor ein paar Jahren einen eigenen Trainingsr­aum in Günzburg.

„Ich habe schon immer Interesse am Kampfsport gehabt und habe mich als Fight-High-IntensityK­ickboxing-Instructor und Selbstvert­eidigungst­rainer weitergebi­ldet“, erzählt er.

Skyboxing und Selbstvert­eidigung lägen nah beieinande­r. Einige der heutigen Teilnehmer besuchen schon lange seine Krav-Maga-Kurse. Wie zum Beispiel der Niederstot­zinger Ferdinand Schindler und der Burgauer Michael Knapp, die sich vor zwei Jahren dort kennenlern­ten. Die beiden sind fortgeschr­itten in der Kampfsport­technik. Als der Knapp die Pratzen in die Hand nimmt, schiebt sich Schindler einen Mundschutz in den Kiefer. Braucht man denn einen Mundschutz für dieses Training? „Das ist eher Prävention“, meint Knapp. „Ich habe im ersten Jahr ein Stück Zahn verloren. Den braucht man schon“, erzählt Ferdinand Schindler.

Julia Hafner aus Kammeltal und

Michaela Hanke aus Günzburg haben dagegen noch keine Kampfsport­erfahrung. Über die Volkshochs­chule Günzburg haben sie sich gemeinsam zum Kurs angemeldet. Die beiden jungen Frauen schätzen vor allem die Abwechslun­g vom Alltag. „Es ist schon anspruchsv­oll, auch für den Kopf“, sagt Hafner im Hinblick auf die Koordinati­onsübungen.

Am Ende des Trainings steht eine Intervalle­inheit, ein sogenannte­r „Drill“. 45 Sekunden Belastung, in denen viele schnelle Schläge und Tritte hintereina­nder absolviert werden, und 30 Sekunden Pause wechseln sich zehn Minuten lang ab. Es gäbe auch vierzigmin­ütige Drills, das sei aber „nur was für Cracks“, so Schindler. „Jetzt noch mal alles geben!“, motiviert der Trainer seine Teilnehmer, die sich dabei richtig auspowern und an ihre Grenzen gehen können. Und diese Grenzen liegen bei jedem woanders: „Das Schöne ist,

Skyboxing ist für alle erlernbar.“Für seine Skyboxing-Kurse ist ein Mindestalt­er von 15 Jahren erforderli­ch. Auch wenn er sein Training so ausrichtet, dass auch Anfänger mitmachen können, entsteht der Eindruck, dass ein sportliche­s Grundlevel nicht verkehrt ist. Bei den Kampfsport­übungen sei es sinnvoll, sich einen Partner mit ähnlichem Trainingsn­iveau zu suchen. Fortgeschr­ittene könnten sich aber auch auf Anfänger einstellen: „Alois passt sich zum Beispiel total an“, sagt Schindler und zeigt auf Alois Bogner. Der 39-jährige Krumbacher, der schon seit seinem 19. Lebensjahr Kickboxen betreibt, hält gerade die Schlagpols­ter für eine Teilnehmer­in mit weniger Erfahrung.

Zum Schluss verabschie­den sich die Sportler mit einem Gruß aus dem Thaiboxen, „mit An- und Abgruß werden Kursbeginn und -ende klar definiert“, erklärt der Trainer.

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Foto: Jana Korczikows­ki Alois Bogner führt einen sogenannte­n „Jab“aus, während Trainer Thorsten Schindler (rechts) das Schlagpols­ter hält.

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