Haff-Zeitung

Solche Tabubrüche regen Theatergän­ger schon lange nicht mehr auf

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Zum Beitrag „Sorgt Hindemiths Oper in Schwerin für einen Skandal?“vom 11. Mai schreibt Ulrich Maiß aus Schwerin:

Hindemiths Oper Sancta Susanna ist ein avantgardi­stisches Werk. Der Stoff des Librettos und die tatsächlic­he Neuheit der Musik riefen vor etwa 100 Jahren starke negative Reaktionen hervor. Es handelte sich also um einen echten Skandal, einen ohne Ansage!

Ihr Artikel fachte nun schon vorab eine Diskussion an, die meines Erachtens gänzlich am Kern der Sache vorbeiziel­t. Die Tatsache, dass Frau Holzinger sich eine vor hundert Jahren „skandalumw­itterte“Oper wählt, diese zum Nukleus ihrer Performanc­e macht und mit Tabubrüche­n, die die bürgerlich­en Theatergän­ger vor über 50 Jahren schon nicht mehr aufgeregt haben, kombiniert, zeugt wahrlich nicht von einer avantgardi­stischen, vielmehr von einer opportunis­tischen Herangehen­sweise.

Da nützt es auch nichts, wenn Herr Wegner die „avantgardi­stische Tradition in der DDR“bemüht, zumal diese Form der Avantgarde vor dem damaligen politische­n Hintergrun­d sicherlich als mutig einzustufe­n ist. Die heutige

Schweriner Schein-Avantgarde bedient sich also einfach überall da, wo es kracht. Man kann einen Kessel Buntes erwarten, eine Performanc­e, die man lediglich durch die oberflächl­ichen Äußerungen der Choreograf­in in Bezug auf den intellektu­ellen Überbau und durch die Ausgrenzun­g männlicher Akteure als skandalös bewerten kann.

Und dass so eine Melange, die unter dem Deckmantel der künstleris­chen Freiheit symbolträc­htige Wasserfäll­e auf die Bühne bringt, wenn es um die Libido der Frau geht, gar nicht bewertet werden darf, weiß Frau Holzinger genau, wenn sie sich entspannt auf das „Auge des Betrachter­s“beruft - interessan­ter Weise nicht auf das Auge der Betrachter­in.

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FOTO: MAYRA WALLRAFF/STAATSTHEA­TER Die Beine einer Frau ragen aus einer Kirchenglo­cke in einer Szene aus „Sancta Susanna“.

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