Haff-Zeitung

Wer Vögel sucht, findet sie an den ungewöhnli­chsten Plätzen

- Von Norbert Warmbier

Zur traditione­llen Vogelzählu­ng haben sich Tierfreund­e wieder auf die Lauer gelegt, um rufende und umher fliegende Vogel zu dokumentie­ren. Sogar ein Pirol war dabei.

ANKLAM – Die Vögel haben seit jeher uns Menschen fasziniert, ob im Frühjahr als Meistersän­ger oder zur Zugzeit, die Sehnsucht von Ferne und Freiheit in uns weckt. Immer wieder werden die Betrachter der Zählgruppe von ihrem Formenreic­htum, Farbwunder­n und eindrucksv­ollen und lautstarke­n Lebensäuße­rungen bezaubert. Darüber hinaus sind die Federtiere selbst in unserer pommersche­n Kulturland­schaft empfindlic­he Bioindikat­oren für den ökologisch­en Zustand unserer Natur, so auch im Anklamer Stadtwald.

Ausgerüste­t mit Ferngläser­n, Fotooptik, Vogelbesti­mmungsbüch­ern

und Notizblock, wanderten die Naturfreun­de auch in dieser Saison an der deutschlan­dweiten und zugleich größten biologisch­en Zählaktion der Bundesrepu­blik, federführe­nd durch den Naturschut­zbund Deutschlan­ds (NABU) initiiert, um die Gartenvöge­l in einer Kulturland­schaft zu zählen.

Was in Großbritan­nien schon eine lange Tradition hat, findet seit 2005 auch in Deutschlan­d statt. Die Anklamer Vogelfreun­de sind von Anfang an dabei. Geleitet wird die ehrenamtli­che Aktion seit 19 Jahren durch den Vogelstimm­enexperten Norbert Warmbier. Seit 60 Jahren durchstrei­ft unser Nordkurier-Naturrepor­ter die Landschaft­en zwischen Kap Arkona, der Insel Usedom, der Ueckermünd­er Heide und der Uckermark bis hin zur Mecklenbur­ger Seenplatte. „Im Selbststud­ium habe ich mir alle Vogelgesän­ge, Rufe und Warnlaute unserer heimischen Vogelarten eingeprägt“, so Warmbier.

Durch die Klimaerwär­mung besiedeln immer mehr Südländer auch unsere Region. Und doch haben viele ältere Bürger das Gefühl, „dass es in der guten alten Zeit“mehr Vogelgezwi­tscher gab als heute. Also darum, liebe Vögelchen, f liegt nicht so schnell, denn es findet gerade eine Inventur statt. Jeder Vogel, ob nun fliegend oder singend, versteckt hinter Blättern, wird notiert. Nur so lässt sich herausfind­en, ob es eine subjektive Verklärung längst vergangene­r Zeiten oder eine Tatsache ist, dass die Population vieler Arten abgenommen hat.

Trillern, trällern, tirilieren, das können die geschnäbel­ten Sänger immer noch im Stadtrevie­r. Gesangstal­ente finden sich hier in jeder Kategorie. Insgesamt wurden im Mai 2024 26 Vogelarten mit 67 Exemplaren registrier­t. 2023 waren es 25 Arten mit 79 Exemplaren.

Mit bis zu 90 Dezibel schmettert zum Beispiel der Zaunkönig heute sein Lied mit drei Sängern. Der zierliche Kobold mit kaum acht Gramm Gewicht ist zwischen Greifswald, Demmin und Anklam in der Höhlenwahl nicht anspruchsv­oll, wie die Fotos belegen. Übrigens brüten in M-V wahrschein­lich 120.000 Zaunkönigp­aare, damit hat der oftmals wie eine Maus im Unterholz huschende Vogel zugenommen.

Ähnlich positiv liegen die Verhältnis­se bei der Mönchsgras­mücke. Die letzte große Bestandsau­fnahme 1998 ergab 150.000 Brutpaare in Mecklenbur­g-Vorpommern, im Vergleich zu 1982 ein Drittel mehr. Und aktuelle Zahlen zeigen, dass der Trend anhält. Dabei erweist sich als positiv, dass sich die Zugwege dieser Insektenfr­esser geändert haben. Die gefiederte­n Freunde verzichten inzwischen auf ihre früheren Reisen ans Mittelmeer, wo sie oftmals in Fangnetzen landeten. Dafür geht es nun nach England, einige Exemplare bleiben auch im Winter in der Mecklenbur­ger Schweiz und im Peenetal.

Bei der hiesigen Zählung hat die Amsel mit zehn Exemplaren den Schnabel ganz vorn. Nach Jahren der Abwesenhei­t konnten jetzt auch wieder der exotisch anmutende amselgroße Pirol und der Kuckuck nachgewies­en werden. Insgesamt kann der Vogelbesta­nd im Anklamer Stadtwald, trotz vieler Gefahren wie streunende­r Hunde und frei laufender Katzen, als gut eingeschät­zt werden.

Die Ergebnisse der Zählung 11. Mai 2024, 8-9 Uhr Stadtwald Anklam:

Amsel 10; Ringeltaub­e 7; Nebelkrähe 6; Singdrosse­l 4; Buchfink 3; Fittislaub­sänger 3; Goldhähnch­en 3; Mönchsgras­mücke 3; Rotkehlche­n 3; Zaunkönig 3; Buntspecht 2; Eichelhähe­r 2; Gartenrots­chwanz 2; Kernbeißer 2 ; Kohlmeise 2; Weidenlaub­sänger

2; Sumpfrohrs­änger 1; Bluthänfli­ng 1; Gartenbaum­läufer 1; Grünfink 1; Kleiber 1; Kuckuck 1; Pirol 1; Sprosser 1; Star 1; Waldlaubsä­nger 1, insgesamt: 67 Vögel 13. Mai 2024, 9-10 Uhr

Stadtwald Anklam: Amsel 9; Mönchsgras­mücke 6; Nebelkrähe 6; Zaunkönig 6; Buchfink 5; Mauersegle­r 5; Feldsperli­ng 4; Fittislaub­sänger 4; Waldlaubsä­nger 4; Ringeltaub­e 3; Star 3; Weidenlaub­sänger 3; Blaumeise 2; Bluthänf ling 2; Elster 2; Kohlmeise 2; Singdrosse­l 2; Sprosser 2; Stieglitz 2; Wintergold­hähnchen 2; Buntspecht 1; Eichelhähe­r 1; Gartenrots­chwanz 1; Kleiber 1; Zaungrasmü­cke 1; insgesamt: 79 Vögel

Wer dem wundervoll­en Klang der Umwelt lauschen und beim Anblick von Wildsäuger­n, Adlern, Silberreih­ern und Orchideen Stress abbauen möchte, kann bei einer geführten Naturwande­rung Kraft tanken. Anmeldung bitte unter 0151560743­11.

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FOTO: NORBERT WARMBIER Der exotisch wirkende Pirol flötete jüngst wieder nach mehreren Jahren Abwesenhei­t direkt unter der Zählgruppe.
 ?? FOTO: NORBERT WARMBIER ?? Die Vogelexper­ten Mario Kebschull und Norbert Warmbier konnten im Anklamer Stadtwald 26 Singvogela­rten mit 67 Exemplaen erfassen. Ein sehr gutes Ergebnis.
FOTO: NORBERT WARMBIER Die Vogelexper­ten Mario Kebschull und Norbert Warmbier konnten im Anklamer Stadtwald 26 Singvogela­rten mit 67 Exemplaen erfassen. Ein sehr gutes Ergebnis.
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FOTO: NORBERT WARMBIER Dieses Zaunkönigp­aar zieht in einer Gartenanla­ge in Demmin seine Brut in einem Hechtkopf auf. Im Anklamer Stadtwald schmettern drei Zaunkönige ihr Lied.
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FOTO: NORBERT WARMBIER Der Zaunkönig konnte auch in anderen Revieren mit kuriosen Bruthöhlen entdeckt werden. So ein zierliches Höhlennest in einem Plasterose­ndekor im Carport.
 ?? FOTO: NORBERT WARMBIER ?? Der Sprosser, der singende Mozart, ist die nordische Nachtigall und jubiliert mit einem Exemplar im dichten Buschwerk.
FOTO: NORBERT WARMBIER Der Sprosser, der singende Mozart, ist die nordische Nachtigall und jubiliert mit einem Exemplar im dichten Buschwerk.
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FOTO: NORBERT WARMBIER Das recht langbeinig­e Rotkehlche­n ist ein Bodenvogel. Die Art profitiert von der Klimaerwär­mung, denn beachtlich­e drei Paare besiedeln das Revier.
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FOTO: NORBERT WARMBIER Der schmucke Gartenrots­chwanz hat Aufwind unter die Flügel bekommen, denn heute brüten hier mehrere Paare.

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