Haller Querdenker bekennen Farbe
Stephan Bergmann von Querdenken 711 spricht in Hall. Linken-Gemeinderätin wird ausgebuht, Bergmann nutzt Dialogversuch zur Imagepflege.
Stephan Bergmann von Querdenken 711 spricht in Hall. Eine Linken-Gemeinderätin wird ausgebuht, Bergmann nutzt den Dialogversuch zur Imagepflege.
Wer noch Zweifel hat, dass Querdenken 791 mit Querdenken 711 kooperiert, ist am vergangenen Donnerstagabend im Froschgraben eines Besseren belehrt worden: Stephan Bergmann, einer der bekanntesten Köpfe der seit Dezember vom Landesamt für Verfassungsschutz beobachteten Stuttgarter Initiative, hat auf der wöchentlichen Demonstration der Haller Gruppierung gesprochen. Rund 50 Querdenker aus der Region haben seinen Ausführungen zugehört, am Rand hatten sich etwa 15 Gegendemonstranten eingefunden.
„Der Mann im roten Shirt“, wie sich Bergmann auf seinen zahlreichen Youtube-Videos nennen lässt, wird bejubelt, seine Behauptungen kommen an. Neben fundamentaler Medien-Kritik, bei der er auch das Haller Tagblatt nicht ausnimmt, spricht er davon, dass man „auf dem Weg in den Faschismus“sei. Vorwürfe, die Querdenken-Bewegung mache sich mit Rechtsradikalen und Reichsbürgern gemein, wischt er weg: Bei den großen Demos im August vergangenen Jahres in Berlin habe er „vielleicht drei oder vier“Reichsflaggen gesehen. Die aus Berlin bezahlten „Mainstreammedien“hätten auch über die Anzahl der Demonstranten gelogen. Bergmann preist hingegen das rechtspopulistische Compact-Magazin an, dort werde „die Wahrheit“über die Bewegung und die Impfung geschrieben. Zwei Exemplare verschenkt er. Bergmann spricht von Menschen, die durch Impfungen „umgebracht“werden, bleibt Belege aber schuldig. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie seien „unnötig“. Menschen würden vergiftet, „dass ist das, was gerade läuft“. 20 Jahre „studiere“er schon das, was er jetzt beobachte. Corona sei darüber hinaus keine „schwere Krankheit“.
Impfung als „Genozid“
Im Anschluss führt „Anna“– sie wird als Bio-Chemikerin vorgestellt – aus, wie schädlich die „von Bill Gates angeordnete“Impfung gegen das Virus sei. Sie spricht dabei von Tausenden von Toten, die Impfung sei „ein Genozid“. Demo-Anmelder „Christian“ bedankt sich bei ihr für einen „hochwissenschaftlichen Vortrag“. Er spricht im Zusammenhang mit der Pandemie übrigens von einer „Plandemie“.
Wortreicher Monolog
Linken-Gemeinde- und Kreisrätin Ellena Schumacher Koelsch nutzt zum Ende der Demonstration die Gelegenheit des offenen Mikros. Sie wird erst ausgebuht, dann redet Bergmann sie mit einem wortreichen Monolog an die Wand. Ihr Angebot, in den Dialog treten zu wollen, nutzen Bergmann und sein Team: In der Telegram-Gruppe der Haller Querdenker heißt es im Hinweis auf ein neues Youtube-Video Bergmanns: „Nazi-Vorwürfe ausgeräumt.“Er behauptet, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe, Reichsbürger und Rassist zu sein, seien aus der Welt. „Antifanten“und
Querdenker würden miteinander reden, die „faschistische Regierung“sei gescheitert – Schumacher Koelschs Auftritt wird für all das als Beleg verwendet.
Das will die Kommunalpolitikerin so nicht stehen lassen. „Erst werde ich von Herrn Bergmann als ‚Antifantin’ beschimpft, dann bezeichnet er die demokratische Regierung der Bundesrepublik als faschistisch. Das ist absoluter Populismus, von dem ich mich als Kreis- und Stadträtin distanziere“, schreibt Schumacher Koelsch in einer Stellungnahme, die sie Bergmann und den
Haller Querdenkern geschickt hat
Sie bittet ausdrücklich um Löschung des Videos.
„Mir ging es um den Dialog mit den Menschen, die in meiner Heimatstadt leben und nicht um die Vorwürfe gegen Herrn Bergmann, der dies für seine PR missbraucht“, schreibt Schumacher Koelsch, die auch für den Landtag kandidiert.
Auf Masken verzichtet
Mit dem Gefangenenchor aus Verdis Oper „Nabucco“endet die Demo. Man müsse sich jetzt wieder einsperren lassen, heißt es. Die Abstände sind bei der Veranstaltung zwar größtenteils eingehalten worden, Masken hat man aber nur bei den Gegendemonstranten gesehen.
Stichwort
Das ist absoluter Populismus, von dem ich mich als Kreis- und Stadträtin distanziere.
Ellena Schumacher Koelsch
Die Linke
Info
Die Haller Querdenker treffen sich Donnerstag, 4. Februar, zur nächsten Demo am Froschgraben. Ab 18.30 Uhr geht es um „Querdenken im Auge des Verfassungsschutzes“.
Weitere Fotos von der Querdenken-Demo vergangenen Donnerstag gibt es unter www.swp.de/bilder