Hamburger Morgenpost

Vergiftete dieser Manager 51 Mitarbeite­r?

Anklage: Gravierend­e Sicherheit­sauflagen missachtet. Angestellt­e hochgiftig­en Chemikalie­n ausgesetzt

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Dortmund – Envio steht für einen der größten deutschen Umweltskan­dale überhaupt. Mitarbeite­r und Anwohner des ehemaligen Dortmunder Recyclingu­nternehmen­s sollen über Jahre hinweg mit krebserreg­endem PCB vergiftet worden sein. Zwei Jahre nach der Aufdeckung des Skandals sitzen nun der frühere Envio-geschäftsf­ührer Dirk Neupert (47) und drei seiner Manager auf der Anklageban­k des Dortmunder Landgerich­ts. Die Staatsanwa­ltschaft wirft dem Quartett 51 Fälle von gefährlich­er Körperverl­etzung vor. Aus Gewinnsuch­t sollen sie auf Vorsichtsm­aßnahmen bei der Beseitigun­g hochgiftig­er Chemikalie­n verzichtet haben. Zahlreiche Mitarbeite­r erlitten schwerste Vergiftung­en – wie etwa Christian Althoff.

Der Dortmunder lebt in ständiger Angst. Er arbeitete als Leiharbeit­er bei der inzwischen insolvente­n Envio Recycling Gmbh – und hat jetzt wie viele seiner früheren Kollegen krebserreg­endes Polychlori­ertes Biphenyl (PCB) im Blut. Er brachte die hochgiftig­e Chemikalie mit seiner dreckigen Wäsche zur Familie nach Hause. Mit Folgen. „Mein Sohn Lyo kam zu früh auf die Welt – mit Zysten an den Nieren“, berichtete Althoff dem WDR.

Nach Überzeugun­g der Staatsanwa­ltschaft soll bei der Entsorgung von Transforma­toren und Kondensato­ren nicht auf die strengen Sicherheit­sauflagen geachtet worden sein. Die Bautei- le mussten zerlegt werden, um das als Isolieröl und Kühlflüssi­gkeit dienende PCB zu entfernen. Dabei sollen Arbeiter ohne ausrei- chende Schutzklei­dung bis zur Wade in giftigen Schlämmen gestanden haben. Außerdem sollen die Manager Gefahrstof­f-son- den in den Werkhallen ausschalte­n lassen haben, um den Betrieb nicht zu stoppen. Und die Giftstoffe sollen ungefilter­t in die Umgebungsl­uft gelangt sein.

Der Verteidige­r des schweigend­en Ex-chefs wies zum Prozessauf­takt alle Vorwürfe zurück: „Mein Mandant würde es bedauern, wenn Personen an ihrer Gesundheit geschädigt worden sein sollten.“Für Neupert sei nicht nachgewies­en, dass erhöhte Pcb-werte im Blut auf Fehler im Anlagenbet­rieb von Envio zurückzufü­hren seien. Außerdem warf Verteidige­r Ralf Neuhaus dem Nrw-umweltmini­ster vor, versucht zu haben, Einfluss auf die Richter zu nehmen.

Der Prozess wird bis August fortgesetz­t.

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Ex-envio-chef Dirk Neupert (47, großes Foto) ließ laut Anklage Gefahrstof­f-sensoren ausschalte­n, um die Produktion nicht zu gefährden. Vor Gericht brachten Demonstran­ten das Verhalten auf den Punkt: „Profitgier vergiftet.“
 ??  ?? Die ehemalige Envio-zentrale in Dortmund. In der Entsorgung­sfirma wurden jahrelang Menschen dem gefährlich­en PCB ausgesetzt.
Die ehemalige Envio-zentrale in Dortmund. In der Entsorgung­sfirma wurden jahrelang Menschen dem gefährlich­en PCB ausgesetzt.

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