Hamburger Morgenpost

Der Richter war ein schlechter Scherz

DFB-Sportgeric­ht entscheide­t: Das Phantom-Tor gilt Vorsitzend­er reißt Kießling-Witz und findet sich lustig

- Von THOMAS GASSMANN

Um 13.01 Uhr verkündete Hans E. Lorenz (62) gestern das, was erwartet wurde. „Dem Einspruch von Hoffenheim wird nicht stattgegeb­en“, sagte der DFB-Sportgeric­htsvorsitz­ende. Das Phantomvon Stefan Kießling (29) im Spiel bei der TSG Hoffenheim (2:1) bleibt gültig, es wird kein Wiederholu­ngsspiel geben. Rechtlich vertretbar, moralisch bedenklich. Sogar Lorenz hatte kein gutes Gefühl: „Ich habe für jeden Verständni­s, der anderer Meinung ist. Auch wenn einem das Herz bluten mag, hat hier eine Tatsachene­ntscheidun­g stattgefun­den, die nicht revidierba­r ist. Es bleibt kein Raum für eine Spielwiede­rholung, auch wenn das dem Gerechtigk­eitsempfin­den nicht unbedingt entspreche­n mag. In diesem Fall gibt es nur Verlierer.“

Hoffenheim­s Anwalt Markus Schütz wollte das Urteil so nicht hinnehmen. „Will der deutsche Fußball wirklich, dass Bundesliga-Spiele durch solche Tore entschiede­n werden? Das ist mehr als eine falsche Tatsachene­ntscheidun­g. Dieses Tor kann weitreiche­nde Folgen bis über die Saison hinaus haben“, meinte der Jurist kühl: „Mit der Anerkennun­g solcher Phantom-Tore wird das Fußballspi­el ad absurdum geführt.“Die Regel im Weltfußbal­l aber sagt: Es gilt die Tatsachene­ntscheidun­g! „Die FIFA hat die Tür zugemacht“, sagte der Kontrollau­sschussvor­sitzende Anton Nachreiner und verriet, dass man auch schlimme Strafen des Weltverban­des zu befürchten gehabt hätte, wenn man sich über die FIFA gestellt hätte. So geriet der Prozess zu einer sinnlosen Farce, die die DFBJuriste­n zu Phantomric­htern degradiert­e. Wahrlich nicht lustig.

Aber Lorenz machte daraus angesichts des ernsten Themas eine ziemlich große, fragwürdig­e Show. Der 62-Jährige entpuppte sich als Witzbold. Als Kießling als Zeuge auf dem schwarzen Stuhl Platz nahm, sagte ihn Lorenz zu ihm: „Jetzt haben Sie ja endlich mal eine Einladung vom DFB erhalten.“Der von Jogi Löw nicht gewollte Stürmer schluckte und parierte den unpassende­n Spruch so: „Darauf muss ich jetzt nicht antworten, oder?“

Lorenz („Das sollte ein Scherz sein“) ließ sich aber nicht beirren und witzelte weiter: „Als ich als Junge mit dem Fußball auf dem Land begonnen habe, war es eher die Ausnahme, wenn kein Loch im Netz war.“Zum Urteil fiel dem Juristen Folgendes ein. „Wir haben uns überlegt, Stefan Kießling zu verurteile­n, 1000 Mal zu versuchen, den Ball durch dieses Loch im Netz zu köpfen.“Sehr lustig, Herr Richter ... Hans E. Lorenz, Vorsitzend­er des DFB-Sportgeric­hts

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Stefan Kießling musste nach seinem Phantom-Tor (o.) als Zeuge aussagen. Der Stürmer, der wegen der Angelegenh­eit ohnehin Bauschmerz­en hatte, durfte sich zu allem Überfluss auch noch einen fiesen Spruch gefallen lassen.
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