Doris Lessing tot Gysi trauert um seine Tante
Die britische Literaturnobelpreisträgerin starb kurz nach ihrem Sohn
London – Doris Lessing ist tot – und in Deutschland lebt jemand, der besonders traurig ist: Gregor Gysi. Die berühmte Schriftstellerin und Literaturnobelpreisträgerin, die 94 Jahre alt wurde, war seine Tante. Gysi hatte ihren Tod kommen sehen. Er sagte der MOPO: „Sie hatte auf den Tod ihres Sohns gewartet. Sie konnte nicht sterben, weil sie sich um ihn kümmern musste.“Deshalb habe sie auch nicht mehr geschrieben. Der lange Zeit schwer kranke Peter war vor zwei Wochen beigesetzt worden. „Ihre große Aufgabe war damit erledigt, mir war klar, dass auch sie die Augen schließen würde.“
Doris Lessing gehörte zu den großen Schriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts, schrieb Klassiker wie „Das goldene Notizbuch“(1962) und führte ein turbulentes Leben. Geboren im heutigen Iran, zog sie mit ihren britischen Eltern nach Rhodesien (das heutige Zimbabwe). Das Leben in der britischen Kolonie lieferte ihr den Stoff für ihren ersten Roman „The Grass is Singing“(dt. „Eine afrikanische Tragödie“). 1945 heiratete sie den deutschen Kommunisten Gottfried Lessing. Dessen Schwester war mit dem Intellektuellen und späteren DDR-Politiker Klaus Gysi verheiratet. So wurde die Britin Doris Lessing zur Tante von Klaus Gysis Sohn Gregor.
Mit ihrem „Goldenen Notizbuch“schuf die Schriftstellerin ein Schlüsselwerk des Feminismus – sie selbst hatte aber stets Probleme mit der Bezeichnung „Feministin“. Die Themen Dominanz und Gewalt beherrschten ihre Bücher, die Autorin war eine unerbittliche Kämpferin gegen Atomwaffen, Rassismus und Apartheid, für die Rechte der Frauen weltweit. Lessing hat über 50 Romane verfasst, sah den Zyklus „Canopus im Argos: Archive“als Schlüsselwerk an.
Mit dem Nobelpreis hatte sie nie gerechnet. Die Nachricht erwischte die damals 88-Jährige auf dem Rückweg vom Einkaufen. Lessings spontane Reaktion: „Oh, Jesus! Ich habe alle Preise in Europa gewonnen, jeden verdammten Preis. Jetzt ist es ein Royal Flush“. Im Gespräch mit Gregor Gysi hatte sie kurz zuvor noch weit von sich gewiesen, überhaupt Chancen auf den Nobelpreis zu haben – er hielt dagegen und bekam Recht.