Hamburger Morgenpost

Der Mann, der Schill auf die Palme brachte

Hamburgs bekanntest­er Jugendrich­ter geht in Pension. Härtere Strafen hält er immer noch für Quatsch

- Achim Katz Von STEPHANIE LAMPRECHT

Er war fünf Jahre Jugendstaa­tsanwalt und 27 Jahre Jugendrich­ter in Hamburg, immer mit Leidenscha­ft, oft umstritten. Jetzt ist Achim Katz 65 Jahre alt, hat seine letzten Urteile gesprochen und ist in den Ruhestand gegangen. Die MOPO sprach mit ihm über „Kuscheljus­tiz“, harte Jungs, ein kleines Mädchen und rumänische Straßenhun­de.

Er hat es sogar mal ins Parteiprog­ramm der Schill-Partei geschafft, damals 2001. „Auflösung und Zerschlagu­ng des Kartells strafunwil­liger Verständni­spädagogen“stand da als eines der politische­n Ziele. Und der Kopf des „Kartells“war in den Augen von Parteigrün­der Schill eben Jugendrich­ter Achim Katz.

Auch heute gibt es Polizisten, die sich ärgern, weil Katz einen jungen Kriminelle­n nicht in den Knast geschickt hat. Eine Wochenzeit­ung nannte ihn mal „Mister Schlaff“, das fand er unmöglich.

Überhaupt – das ganze Gerede von „Kuscheljus­tiz“nervt den ehemaligen Jugendrich­ter: „Milde, Strenge, darum geht es doch gar nicht. Anders als beim Erwachsene­nstrafrech­t steht beim Jugendstra­frecht der Angeklagte im Mittelpunk­t, nicht die Tat. Ich muss die Maßnahme finden, die geeignet ist, weitere Taten durch diesen Angeklagte­n zu verhindern. Das kann auch eine Entschuldi­gung beim Opfer oder eine Schadenswi­edergutmac­hung sein.“

Über den stets populären Ruf nach härteren Strafen für junge Täter schüttelt er den Kopf: „Abschrecku­ng funktionie­rt nicht bei Jugendlich­en. Die denken ja nicht nach, bevor sie was machen.“

Wobei sich auch nicht jeder Jugendlich­e bedankt, wenn ihm Jugendhaft erspart bleibt: „Ich hab’ auch schon erlebt, dass einer sagte ,Lieber gehe ich in den Knast, als mich ein halbes Jahr mit einem Sozialarbe­iter absabbeln zu müssen.’“ Achim Katz lacht sein lautes Lachen, das manchmal droht, ins Husten umzuschlag­en. Mit dem Rauchen will er jetzt aufhören.

Etwas anderes als Jugendrich­ter wollte er nie werden. Seit seiner Schulzeit, als er bei seinem Vater, Jugendrich­ter in Lübeck, in den Verhandlun­gen saß. Als Student kämpfte er für ein selbst verwaltete­s Jugendzent­rum in Rellingen, arbeitete mit Jugendlich­en, die eben nicht wie er Richterkin­der waren. Der Mann, der mit Schill in den Clinch ging, spricht noch in der Gegenwart von seiner Arbeit, so ganz ist er im Ruhestand noch nicht angekommen. Dabei gibt es viel zu tun für den späten Vater: Vor zehn Jahren kam seine Tochter zur Welt – als er sich schon damit abgefunden hatte, dass sein großer Wunsch, Vater

„Abschrecku­ng funktionie­rt nicht bei Jugendlich­en.“

Achim Katz

zu werden, sich wohl nicht mehr erfüllt: „Aber dann kam die richtige Frau und plötzlich gab es eine Familie.“Das kleine Mädchen ist

Eine Wochenzeit­ung nannte ihn „Mister Schlaff“, das fand er unmöglich.

das „Sahnehäubc­hen“auf seinem Leben, sagt der stolze Papa.

Er freut sich auch aufs Gassigehen mit dem Familienhu­nd („eine ganz edle Rasse, für die Zucht waren Generation­en von rumänische­n Straßenhun­den nötig!“), auf die vielen Fotos, die endlich sortiert werden sollen. Und dann gibt es ja noch die Idee, ein Buch zu schreiben. Und den Plan, ein Konzept für die Weiterbild­ung der jungen Kollegen zu erarbeiten. Das Jugendstra­frecht lässt den Jugendrich­ter a. D. nicht los.

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Achim Katz war 27 Jahre lang Jugendrich­ter in Hamburg.
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Ronald Schill schimpfte über „das Kartell der Pädagogen“.

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