„ Die Attentäter von Tunis waren Tunesier.“
Tunis – Der Präsident greift zu kriegerischem Vokabular. „Bis zum letzten Atemzug werden wir gnadenlos gegen den Terror kämpfen“, verspricht Tunesiens Staatsoberhaupt Beji Caid Essebsi nach dem Blutbad von Tunis, bei dem 25 Menschen (darunter 17 Touristen) getötet wurden. Doch die Angst geht um: Ist das Massaker der Todesstoß für den Arabischen Frühling?
Wie ist die Situation? Fakt ist: Tunesien, wo Ende 2010 der Arabische Frühling begann, ist inzwischen das einzige Land im arabischen Raum, in dem der Aufbruch zu mehr Freiheit und demokratischen Strukturen halbwegs gelungen ist. In Syrien, Libyen, Ägypten haben Terroristen und islamistische Fanatiker Krieg, Tod und Zerstörung gebracht. Dort haben sich Dschihadisten von IS oder Al-Kaida breitgemacht, teilweise große Gebiete völlig unter ihrer Kontrolle.
Wie stark sind die Islamisten in Tunesien? Seit 2010 sind sie stetig mächtiger geworden. „Der Dschihadismus ist in Tunesien seit Ende 2012 ein sehr bedrohliches Problem. Sicherheitsprobleme gefährden die Demokratisierung“, urteilt die Stiftung Wissenschaft und Politik aus Berlin. Speziell der IS, der sich zum Anschlag bekannte, und Al-Kaida werben in der schnell wachsenden salafistischen Bewegung um Anhänger.
Wo liegen die größten Gefahren? Was kaum jemand weiß: Mit über 3000 Mann stellen Tunesier beim Kampf des IS in Syrien und im Irak das größte Kontingent ausländischer Kämpfer. Mehr als 500 von ihnen kehrten inzwischen in die Heimat zurück, bauen dort systematisch Terror-Zellen auf. Ministerpräsident Habib Essid: „Auch die Attentäter von Tunis waren Tunesier.“Zudem sind die Grenzen zu Libyen und Algerien – wo die Islamisten extrem stark sind – sehr lang und schwer zu sichern. Immer mehr Terroristen sickern deshalb ins Land ein, der Waffenschmuggel ist kein Problem für sie.
Was tut der Staat? Die Verantwortlichen der Regierungspartei Ennahda haben das TerroristenProblem unterschätzt. Ihr Versuch, die Islamisten mit mehr Demokratie zu überzeugen, ist keineswegs gelungen. Die Arbeitslosigkeit bei jungen Leuten liegt bei 40 Prozent. Der Anschlag von Tunis wird die Tourismuserneut zurückwerfen. Das heißt: noch weniger Jobs! Auch das treibt die Jugend den Terroristen in die Arme. „Ohne eine soziale Weiterentwicklung wird die Demokratie scheitern“, prophezeit ein hoher Ennahda-Politiker.
Das Fazit: Gelingt es der Regierung in Tunis nicht, die Wirtschaft anzukurbeln, den Sicherheitsapparat deutlich zu stärken und noch mehr Demokratie zu wagen, wird auch die letzte Bastion des Arabischen Frühlings fallen.