So sehen Neubauten in Lübeck aus
Es geht auch anders: Unsere Nachbarn setzen bei der Stadtplanung auf Historie anstatt auf triste Klötzchen-Architektur
Glas, Stahl und Beton im schlichten Klotz-Format. So sehen viele Häuser aus, die derzeit in Hamburg gebaut werden (MOPO berichtete). Dass es auch komplett anders geht, beweist jetzt die Hansestadt Lübeck. In teuerster Lage, mitten in der Altstadt, wird nach historischem Vorbild gebaut. Ein Vorbild für Hamburg oder kitschiges Disneyland?
Ein großes Neubau-Gebiet entsteht mitten im Herzen Lübecks gleich hinterm Holstentor. Auf einem Stück Altstadt mit jahrhundertealter Geschichte – dem Gründungsviertel. Große Investoren würden sich die Finger danach lecken und am liebsten alles aus einer Hand entwickeln. Doch Lübeck hat sich für einen ganz anderen Weg entschieden. „Wir werden dort alle Grundstücke einzeln verkaufen“, erklärt Annette Bartels-Fließ von der Stadtplanung.
Und zwar nach historischem Vorbild. Dort, wo zwei Schulgebäude aus den 50er Jahren abgerissen wurden, sind nun die alten Strukturen freigelegt worden und auch die historischen Straßenverläufe sind noch zu erkennen. Annette BartelsFließ: „Wir werden die einzelnen Grundstücke und die Straßenführung im historischen Verlauf wiederherstellen.“Inklusive der schmalen Straßenfluchten.
Für Investoren ist damit klar, dass inmitten des Unesco-Weltkulturerbes keine großen Klötze entstehen können. Übrigens auch nicht versteckt hinter „täuschenden Fassaden“. Denn jedes der 39 Grundstücke wird ja einzeln verkauft. Vorgegeben ist die Höhe (nur drei Geschosse), die Stellung der Giebel mit Ausrichtung zur Straßenfront und einiges mehr. Im Erdgeschoss sollen Läden und Büros entstehen – aber ohne die typisch modernen Glasfronten. Wer dort ein Geschäft eröffnen will, muss sich damit abfinden. Die oberen Stockwerke sind für Wohnungen reserviert. Verkaufsstart für die Flächen ist im Sommer, ab 2016 soll gebaut werden.
Doch muss Architektur nicht mehr leisten als eine von vielen als kitschig kritisierte Rekonstruktion historischer Gebäude? „Unser Ziel ist keine Puppenstube“, sagt Annette Bartels-Fließ entschieden. „Wir wollen schon eine kritische Auseinandersetzung mit den historischen Gebäuden und keine reinen Nachbauten.“Deshalb gab es auch vorab einen Architekten-Wettbewerb, bei dem jetzt acht Entwürfe prämiert wurden. Allerdings: Reine Rekonstruktionen sind auch erlaubt und bekommen sofort eine Genehmigung. Doch diese detailreichen Fassaden wird kaum ein Bauherr bezahlen können. Wer sich beim Bau an den prämierten Architekten-Entwürfen orientiert, der darf sofort bauen. Wer anders plant, muss sich alles extra von der Stadt genehmigen lassen.
Lübeck geht damit einen ungewöhnlichen Weg in der Stadtentwicklung. Ein Grund dafür dürfte die hohe Bürgerbeteiligung sein, die von Beginn an ein zentraler Teil des Projekts war.