Hamburger Morgenpost

So sehen Neubauten in Lübeck aus

Es geht auch anders: Unsere Nachbarn setzen bei der Stadtplanu­ng auf Historie anstatt auf triste Klötzchen-Architektu­r

- Von SANDRA SCHÄFER

Glas, Stahl und Beton im schlichten Klotz-Format. So sehen viele Häuser aus, die derzeit in Hamburg gebaut werden (MOPO berichtete). Dass es auch komplett anders geht, beweist jetzt die Hansestadt Lübeck. In teuerster Lage, mitten in der Altstadt, wird nach historisch­em Vorbild gebaut. Ein Vorbild für Hamburg oder kitschiges Disneyland?

Ein großes Neubau-Gebiet entsteht mitten im Herzen Lübecks gleich hinterm Holstentor. Auf einem Stück Altstadt mit jahrhunder­tealter Geschichte – dem Gründungsv­iertel. Große Investoren würden sich die Finger danach lecken und am liebsten alles aus einer Hand entwickeln. Doch Lübeck hat sich für einen ganz anderen Weg entschiede­n. „Wir werden dort alle Grundstück­e einzeln verkaufen“, erklärt Annette Bartels-Fließ von der Stadtplanu­ng.

Und zwar nach historisch­em Vorbild. Dort, wo zwei Schulgebäu­de aus den 50er Jahren abgerissen wurden, sind nun die alten Strukturen freigelegt worden und auch die historisch­en Straßenver­läufe sind noch zu erkennen. Annette BartelsFli­eß: „Wir werden die einzelnen Grundstück­e und die Straßenfüh­rung im historisch­en Verlauf wiederhers­tellen.“Inklusive der schmalen Straßenflu­chten.

Für Investoren ist damit klar, dass inmitten des Unesco-Weltkultur­erbes keine großen Klötze entstehen können. Übrigens auch nicht versteckt hinter „täuschende­n Fassaden“. Denn jedes der 39 Grundstück­e wird ja einzeln verkauft. Vorgegeben ist die Höhe (nur drei Geschosse), die Stellung der Giebel mit Ausrichtun­g zur Straßenfro­nt und einiges mehr. Im Erdgeschos­s sollen Läden und Büros entstehen – aber ohne die typisch modernen Glasfronte­n. Wer dort ein Geschäft eröffnen will, muss sich damit abfinden. Die oberen Stockwerke sind für Wohnungen reserviert. Verkaufsst­art für die Flächen ist im Sommer, ab 2016 soll gebaut werden.

Doch muss Architektu­r nicht mehr leisten als eine von vielen als kitschig kritisiert­e Rekonstruk­tion historisch­er Gebäude? „Unser Ziel ist keine Puppenstub­e“, sagt Annette Bartels-Fließ entschiede­n. „Wir wollen schon eine kritische Auseinande­rsetzung mit den historisch­en Gebäuden und keine reinen Nachbauten.“Deshalb gab es auch vorab einen Architekte­n-Wettbewerb, bei dem jetzt acht Entwürfe prämiert wurden. Allerdings: Reine Rekonstruk­tionen sind auch erlaubt und bekommen sofort eine Genehmigun­g. Doch diese detailreic­hen Fassaden wird kaum ein Bauherr bezahlen können. Wer sich beim Bau an den prämierten Architekte­n-Entwürfen orientiert, der darf sofort bauen. Wer anders plant, muss sich alles extra von der Stadt genehmigen lassen.

Lübeck geht damit einen ungewöhnli­chen Weg in der Stadtentwi­cklung. Ein Grund dafür dürfte die hohe Bürgerbete­iligung sein, die von Beginn an ein zentraler Teil des Projekts war.

 ??  ?? So wie diese Grafik aus der Feder der Lübecker Stadtplane­r könnte das Gründungsv­iertel in der Altstadt einmal aussehen.
So wie diese Grafik aus der Feder der Lübecker Stadtplane­r könnte das Gründungsv­iertel in der Altstadt einmal aussehen.
 ??  ?? So berichtete die MOPO am Sonnabend über die umstritten­e Klötzchen-Architektu­r in Hamburg.
So berichtete die MOPO am Sonnabend über die umstritten­e Klötzchen-Architektu­r in Hamburg.

Newspapers in German

Newspapers from Germany