Hamburger Morgenpost

So krank macht Sie Ihr Handy

Wer gefährdet ist, wie Sie sich schützen

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Bonn – Kennen Sie das auch? Diese Unruhe – ein schneller Griff in die Tasche. Ist vielleicht ’ne WhatsApp-Nachricht gekommen? Mal eben bei Facebook reinschaue­n. Man könnte ja was verpassen. Tagein, tagaus beschäftig­t uns das Handy – und wir uns mit dem kleinen Ding. Alexander Markowetz, Informatik-Professor an der Uni Bonn, geht viel weiter: „Mit unserem derzeitige­n Gebrauch moderner Handys vergewalti­gen wir unseren Geist.“Sein Urteil: Wir sind zu Sklaven unserer Smartphone­s geworden. Die MOPO beantworte­t die wichtigste­n Fragen zum brisanten Thema.

Was und wie untersucht­e Professor Markowetz? Für seine Studie installier­ten 300 000 Probanden die von Markowetz entwickelt­e App „Menthal“, mit der ermittelt wird, wie oft und wofür genau jemand sein Handy nutzt.

Was sind die wichtigste­n Ergebnisse? Täglich entsperren wir das Mobiltelef­on 55 Mal, zwölf Prozent der Leute sogar im Schnitt fast 100 Mal. Wirklich telefonier­t wird aber kaum – nicht mal zehn Minuten am Tag. Dabei ist der Screen täglich drei Stunden durchschni­ttlich angeschalt­et. Für WhatsApp gehen 35 Minuten drauf, für Facebook 15 Minuten, für Instagram 4 Minuten, der Rest verteilt sich auf Spiele, Dating-Plattforme­n und andere Apps.

Warum ist das schädlich? Glücksfors­cher haben herausgefu­nden, dass man ca. 15 Minuten braucht, um sich in einen Zustand zu versetzen, in dem man glücklich ist und optimal arbeiten kann. Wenn wir aber stetig aufs Handy starren, kommen wir fast nie in diesen Zustand. Die Folge: Wir sitzen vor der Arbeit, bewegen effektiv aber kaum etwas, weil wir kurz mal EMails checken oder nach Facebook-Einträgen suchen. Prof. Markowetz: „Wenn ich an einem Tag 60 kleine Unterbrech­ungen im Abstand von zehn Minuten habe, geht nicht nur eine Stunde flöten, der ganze Tag ist ruiniert.“

Macht das Smartphone uns süchtig? Definitiv, sagt Markowetz: „Und die Apps sind unsere Drogen.“Das Handy funktionie­re wie ein Glücksspie­lautomat. Klickt man auf eine App, kommt was Tolles – viel häufiger aber nicht. Markowetz: „Aber weil vielleicht in der nächsten Sekunde wieder etwas passieren könnte, klicken wir wieder und wieder. Dadurch wird Dopamin ausgeschüt­tet, das ist zwar kein Glückshorm­on, aber es motiviert uns und verspricht uns Glück.“Wie drastisch sind die Folgen dieser Sucht? Extrem – Handys machen uns psychisch regelrecht krank. Bei Scheidunge­n wird ihr Gebrauch häufiger als Trennungs-Grund genannt als Untreue. Nach Umfragen ist jeder Deutsche eifersücht­iger auf das Handy des Partners als auf mögliche Liebhaber. Markowetz: „Eltern haben Schuldgefü­hle, weil sie sich häufiger mit dem Smartphone als mit ihren Kindern beschäftig­en.“

Welche Auswirkung­en hat der exzessive Handy- Gebrauch auf unsere Arbeitslei­stung? Markowetz: „Dramatisch­e Auswirkung­en.“VW schaltet inzwischen deshalb einige Zeit nach Arbeitsend­e die EMailab – um Burnouts zu begegnen. Andere Unternehme­n heben laut Markowetz viele Regelungen auf – man kann quasi arbeiten, wann man will und wo –, die Folge sei oft ein Kommunikat­ionsdesast­er. Wie kann man der gefährlich­en Entwicklun­g entgegenwi­rken? Die Empfehlung von Markowetz: Sich immer wieder ermahnen, die täglichen Unterbrech­ungen durch das Smartphone absolut zu minimieren. Großkonzer­ne könnten Kampagnen gegen den exzessiven Gebrauch starten. Markowetz: „Dieser ausufernde Handy-Konsum ist das Fett des 21. Jahrhunder­ts. Wir sollten die Dinger nur nutzen, wenn es wirklich etwas bringt. Wir müssen uns eine digitale Diät verordnen – und schlank halten.“

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