Hamburger Morgenpost

Ich war gelähmt, jetzt tanze ich wieder

Wie ein Wunder: Die 67-Jährige knallte auf den Kopf – und konnte plötzlich wieder gehen

- Von MADELINE JOST

Heidelore Bieler hält es kaum in ihrem Ohrensesse­l. Aufgeregt berichtet sie von den vergangene­n Tagen, ihre Hände fliegen durch die Luft, plötzlich steht sie auf. Hebt ihr rechtes, dann ihr linkes Bein, reckt die Arme in die Höhe – Bewegungen, die ihr vor zwei Wochen noch unmöglich waren. Denn die 67-Jährige war nach einer Serie von Schlaganfä­llen halbseitig gelähmt, sechs Jahre lang. Bis sie auf den Kopf stürzte. Die unglaublic­he Geschichte einer Wunderheil­ung.

Es geschah 2009 bei einem Restaurant­besuch mit ihrer Zwillingss­chwester. Beim Essen zog Bieler merkwürdig­e Grimassen, lachte immer wieder lauthals grundlos. Typische Symptome eines Schlaganfa­lls. Ihre Schwester reagiert umgehend, ruft den Krankenwag­en.

Es folgt eine monatelang­e Tortur, an die sich Bieler nur bruchstück­haft erinnert. Sie kann ihre Beine nicht mehr bewegen, muss neu laufen lernen, ihr Sprachzent­rum ist gestört. Krankenhau­saufenthal­t, Rehaklinik, sie muss ganz von vorn anfangen. Und noch einen zweiten und dritten Schlaganfa­ll hinnehmen. Bieler ist halbseitig gelähmt.

„Die Ärzte haben gesagt, damit müsse ich jetzt leben“, so Bieler. „Ich habe das gar nicht kapieren können.“Sie muss betreut werden, fällt in ein tiefes Loch. „Depression­en sind häufig Folge eines Schlaganfa­lls“, sagt Prof. Joachim Röther, Vorstandsm­itglied der Deutschen Schlaganfa­ll-Gesellscha­ft. „Etwa jeder fünfte Schlaganfa­llpatient kann nicht mehr alleine ein selbständi­ges Leben in seiner eigenen Wohnung führen.“Heidelore Bieler gehörte nicht dazu, sie zieht in ein Seniorenpf­legeheim. „Das war der schlimmste Gedanke: Dass ich nie wieder zurück nach Hause kann.“

Sechs Jahre lebte sie im Rosengarte­n Worpswede. Ihr ständiger Begleiter: Ein sperriger Rollator, auf dem sie ihre Arme ablegen konnte und der ihren unsicheren Gang stützte. „Den brauche ich jetzt nicht mehr“, sagt sie – und die Freude steht ihr ins Gesicht geschriebe­n. Denn: Vor zwei Wochen blieb Heidelore Bieler nach einem Café-Besuch mit einem Rad ihres Rollators am Bordstein hängen. Mit Schwung segelte sie über das Gerät, prallte mit dem Kopf gegen einen Baum und verletzte sich am Hinterkopf.

Doch dann geschieht das Unglaublic­he: Am nächsten Morgen kann die Seniorin ihre gelähmten Gliedmaßen wieder bewegen. „Im ersten Moment konnte ich das gar nicht glauben. Ich habe im Zimmer gestanden und mein Bein immer wieder angehoben und gesenkt, mich in den Arm gekniffen.“Doch tatsächlic­h: Alle Lähmungser­scheinunge­n sind verschwund­en!

Ein medizinisc­hes Wunder? „Von so einem Fall habe ich noch nie gehört“, meint Prof. Röther. „Zwar kommt es bei jungen Menschen mit Schlaganfä­llen zu Umbauvorgä­ngen im Gehirn, so dass ein gesunder Bereich die Funktionen des betroffene­n Areals teilweise übernimmt. Aber eine Kompletthe­ilung ist medizinisc­h bei schweren Schlaganfä­llen oft nicht möglich.“

Heidelore Bieler sind die Gründe der Spontanhei­lung „ziemlich schnuppe“„Für mich ist das ein Wunder! Ich habe geglaubt, dass ich mit meiner Lähmung leben muss – und auf einmal habe ich wieder Gefühl in Armen und Beinen. Ich habe ein großes Stück meiner Freiheit und Lebensqual­ität wiedergewo­nnen – durch einen Schlag auf den Kopf! Das müssen Sie sich mal vorstellen!“Unvorstell­bar!

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vor ihrem Seniorenhe­im.
Nach dem heilsamen Sturz wagt Heidelore Bieler ( 67) ein kleines Tänzchen vor ihrem Seniorenhe­im.
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Der Rollator ist Geschichte! „ Ich geh’ jetzt wieder ohne das sperrige Ding“, sagt Bieler.
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