Die ausgebremste John Neumeier inszeniert „Duse“mit der Ausnahmetänzerin Alessandra Ferri – doch die 52-Jährige hatte keine Gelegenheit, ihr großes Können voll auszuspielen
Sie war der Inbegriff innovativer Schauspielkunst und eine sehr mutige Frau, die ihre Ideale selbstbewusst verwirklichte — auf der Bühne wie im Leben: die 1858 geborene Italienerin Eleonora Duse. Doch von dieser Persönlichkeit ist im jüngsten Ballett von John Neumeier wenig zu sehen und noch weniger zu spüren. Am Sonntag wurde „Duse“, im Untertitel „Choreografische Fantasien“, in der Staatsoper uraufgeführt. Und wurde mit einigen „Bravos“, wenigen Buhrufen und freundlichem Applaus bedacht.
Wirkliche Begeisterung erzeugten die Tänzer, allen voran Weltstar Alessandra Ferri in der Titelrolle. Die 52jährige Italienerin überzeugte durch Ausstrahlung und tanztechnische Souveränität – doch durfte sie davon viel zu wenig zeigen. Im zweieinhalbstündigen Ballett vermisst man die Duse als kraftvolle, durchsetzungsfähige Künstlerin, die sie als charismatische Frauenfigur unzweifelhaft war. Stattdessen dominieren Männer: ein junger Soldat als Sohn-Ersatz, ein väterlicher Freund, ein jüngerer Liebhaber und das personifizierte Publikum.
Fraglos übten diese vier einen nachhaltigen Einfluss aus, doch wird eine passive „Duse“, die allzu oft auf männlichen Händen herumgetragen und endlos gehoben wird, der Schauspielerin nicht gerecht. Ausschnitte aus dem einzigen Film mit der Duse von 1913 eröffnen den Abend; Aufnahmen der Überführung ihres Sargs aus den USA nach Italien 1924 beschließen den ersten Teil.
Nach der Pause folgt eine Episode, die „in einer anderen Welt“stattfindet. Die Musik von Benjamin Britten und Arvo Pärt sorgt für düstere Atmosphäre und begleitet fiktive Szenen, die sich so, aber auch anders im Leben der Künstlerin zugetragen haben könnten. Nur: Das Ballett vermittelt den Eindruck, als hätte Eleonora Duse dieses Leben überhaupt nicht (mit-)gestaltet.
Staatsoper: 9./11./12.12., 9./15./16./28.1., je 19.30 Uhr, 5-87 Euro, Tel. 35 68 68