Hamburger Morgenpost

Der dünne Mantel der Toleranz

„Wer instrument­alisiert diese Beamtin“– fragt der Chef der Kripo-Gewerkscha­ft

- Von HARALD STUTTE

Wie umgehen mit Meinungen, die nicht ins politische Bild der Mehrheitsg­esellschaf­t passen? Lange nicht wurde in Deutschlan­d so kontrovers darüber diskutiert wie in Zeiten von Pegida, Massenmigr­ation, Terrorgefa­hr. Und plötzlich spürt man, wie dünn der Firnis aus Toleranz und Meinungsfr­eiheit im rauen Wind der Gegenwart doch ist. Der Wirbel um die Bochumer Polizistin Tania Kambouri unterstrei­cht es. Darf diese Beamtin ihre sehr individuel­len Erfahrunge­n an einem sozialen Brennpunkt der Öffentlich­keit als allgemeing­ültig verkaufen? Darf sie mit ihrem Fokus als Streifenpo­lizistin BKA-Statistike­n in Zweifel ziehen? Was ihre Pflichten als Beamtin betrifft, so regelt das Dienstrech­t solche Fragen. Als Bürgerin darf sie in einer offenen Gesellscha­ft natürlich behaupten, was sie will. Fatal ist es nur, wenn Meinungen, die geeignet sind zu polarisier­en, unwiderspr­ochen bleiben und dadurch eine Überhöhung erfahren. Im Falle von Frau Kambouri wäre es schön, wenn in der nächsten Talkshow einer der vielen Polizisten, die in sozialen Netzwerken mit Verve ein ganz anderes Bild der Realität zeichnen, ihr am Tisch gegenübers­äße.

HARALD STUTTE

politik@mopo.de Ein Luftwaffep­ilot im NATO-Einsatz in Estland zu Begegnunge­n mit russischen Kampfflugz­eugen Hamburg – Mit ihrem Buch „Deutschlan­d im Blaulicht“und Talkshow-Auftritten hat die Bochumer Streifenpo­lizistin Tania Kambouri viel Staub aufgewirbe­lt. Tenor: Muslimisch­e Milieus schaffen ein Klima der Gewalt und Respektlos­igkeit gegenüber der Polizei. Jüngst warf die 32-jährige Beamtin dem Bundeskrim­inalamt vor, Statistike­n zur Kriminalit­ät unter Flüchtling­en zu fälschen. Für André Schulz, Bundesvors­itzender des „Bundes Deutscher Kriminalbe­amter“, überschrei­tet Kambouri damit beamtenrec­htliche Grenzen.

Was versteht eine einfache Streifenpo­lizistin von statistisc­hen Erhebungen des BKA? Welche Expertisen liegen ihr vor, die den Schluss zulassen, Statistike­n zur Kriminalit­ät unter Flüchtling­en seien gefälscht, weil „politisch nicht gewollt“– wie Tania Kambouri in einem Interview mit der „Stuttgarte­r Zeitung“behauptet? Zu guter Letzt: Darf eine Streifenbe­amtin ihre Erfahrunge­n in einem Bochumer Problembez­irk öffentlich zu einer allgemeing­ültigen Aussage über muslimisch­e Mitbürger erheben?

Für den BDK-Bundesvors­itzenden André Schulz hat Tania Kambouri etliche Grundregel­n des Dienstrech­ts verletzt: Indem sie, wie im Artikel 33, Absatz 5, der verfassung­srechtlich­en Grundlagen des Berufsbeam­tenrechts festgelegt, gegen das „Mäßigungsg­ebot“und die „Neutralitä­tspflicht“verstoßen hat.

„In anderen Fällen hat der Dienstherr schon bei geringeren Verstößen reagiert und Kollegen gemaßregel­t“, so Schulz zur MOPO. „Warum lässt ihr oberster Dienstherr, der nordrhein-westfälisc­he Innenminis­ter Ralf Jäger, zu, dass Tania Kambouri ihre Behauptung­en unreflekti­ert verbreiten darf und Gefahr läuft, sich selbst zu schädigen? Wie steht es da mit der Fürsorgepf­licht des Dienstherr­n seinen Beamten gegenüber?“Er glaubt nicht an einen Zufall: „Wer steuert und instrument­alisiert die Kollegin eigentlich die ganze Zeit?“

Es sind vor allem drei Dinge, die ihn an den zahlreiche­n Medienauft­ritten seiner Kollegin stören: „Sie berichtet aus ihrem polizeilic­hen Alltag, ihr fehlt aber der Gesamtüber­blick, solche Aussagen zu treffen. Sie darf es aus Gründen des Dienstrech­ts nicht. Sie liefert so der falschen Seite Argumente, die im Ergebnis nicht haltbar sind“, Schulz.

Doch der Bundeschef der Kripogewer­kschaft weiß auch, dass viele seiner Kollegen Tania Kambouris Thesen zustimmen – „weil die Grundstimm­ung schlecht ist, weil der Staat immer nur einschränk­end wahrgenomm­en wird und man die Rückendeck­ung in der Politik vermisst. Das macht anfällig für platte Parolen rechter Scharfmach­er.“

Natürlich hat auch das BKA den Vorwurf, Statistike­n würden gefälscht, energisch zurückgewi­esen: Es gibt keinen durch Flüchtling­e bedingten signifikan­ten Anstieg der Kriminalit­ät, heißt es da.

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Eine Polizistin im Gespräch. Dabei geht es nicht immer respektvol­l zu, beklagt eine Beamtin in einem Buch. „Wer steuert und instrument­alisiert die Kollegin?“, fragt André Schulz.
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