Hamburger Morgenpost

Ein bittersüſs­er Rap-Engel

Angel Haze (23) hat viel erlebt und kommt bald ins Mojo Laibach live im Knust: Wenn aus den Zuschauern Soldaten werden

- Von FREDERIKE ARNS

Heute werden die Club-Awards im Uebel und Gefährlich verliehen! Neben dem besten Konzertpro­gramm, dem Konzert des Jahres, der besten Newcomer-Förderung und weiteren Kategorien gibt’s auch einen Publikumsp­reis. Molotow? Mojo? Hasenschau­kel? Hafen-

Als Kind hat meine Mutter mehrmals versucht, mich umzubringe­n.“Uff ! Rapperin Angel Haze – mindestens genauso schön und grazil wie Aaliyah – hat krasse Geschichte­n zu erzählen. Sie reagiert mit schwarzem Humor darauf und freut sich, noch am Leben zu sein. Mit ihren 23 Jahren hat sie ein bewegtes Leben hinter sich. Als Raykeea Roes Wilson wächst sie in Detroit (Michigan) auf – zutiefst unglücklic­h, sexuell missbrauch­t. Ihr Umfeld ist fanatisch religiös und verbietet ihr alles: Spaſs, Musik, Mode, Jungs, Inspiratio­nen. Zum Glück macht ihre Familie einen vernünftig­en, radikalen Schnitt und zieht nach New York.

Von Brooklyn aus entdeckt Angel Haze die Welt – und die Popmusik. Sie fängt an, selbst Schon der Merchandis­eStand lieſs vermuten, dass das kein normales Konzert am Dienstagab­end im Knust werden würde: weiſse Armbinden, politische Abzeichen, sozialisti­sche Propaganda-Plakate. Die slowenisch­e Band Laibach provoziert zu gern mit dem Fragwürdig­en. Oder ist das Ganze nur Satire? Die Band spielte sogar schon in Nordkorea, Kim Jong Un ist offenbar Fan.

An eine Diktatur erinnert auch Laibachs Auftritt: Das Publikum ist gefangen. Blitze, Stimmengew­irr, verängstig­tes Atmen, Schreie, Schüsse – der Bass klingt nach Erdbeben. Ist das brachialer Techno oder herrscht hier Krieg? Texte zu schreiben. Sie verarbeite­n natürlich ihre Vergangenh­eit, aber handeln auch von ihrer neu gewonnenen Freiheit: „I run New York“, rappt sie selbstbewu­sst und erhebt sich damit mal eben über den Geburtsort von HipHop, The Notorious B.I.G. , Jay Z und all die anderen groſsen Rapper, die daher kommen.

Mixtapes folgen, sie unterzeich­net bei einem Major-Label und gewinnt Preise. Weil sie sich von der Plattenfir­ma nicht angemessen unterstütz­t fühlt, leakt sie 2013 ihr sehr poppig geratenes Debütalbum „Dirty Gold“aus Rache vorzeitig online. Ihr aktuelles Projekt heiſst „Back To The Woods“. Was ihr auf ihrem Plastik-Debüt verwehrt blieb, lebt sie nun aus: düstere Wums-Beats, brachiale Ehrlichkei­t und echtes Rap-Können. Der kiffende Engel tritt Dienstag im Mojo-Club auf. Sänger Milan Fras verkündet im tiefen Befehlston: „Now you will pay!“Aus den Zuschauern werden Soldaten. Die Stille und das Klatschen zwischen den Songs sind pure Erleichter­ung. Nach einer

Mojo-Club: 26.1., 20 Uhr, 23 Euro

Pause, in der ein Walzer vom Band läuft, folgt das hysterisch­e, aber vom Pop angehaucht­e Finale. Sängerin Mila Spiler indoktrini­ert mit einem Megafon. Kein Konzert, sondern Schwerstar­beit!

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So hübsch und so düster: Rapperin Angel Haze (23)
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Laibachs düster-brachialer Sound ist nur schwer zu ertragen.

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