Der Imam Zulhajrat Fejzulahi schützt in der JVA Häftlinge vor Religionsfanatikern
22 Prozent der Häftlinge in Hamburgs Gefängnissen sind Muslime. Nicht wenige von ihnen sind labil, allein, jung – und damit ein gefundenes Fressen für Salafisten. Damit die Justizvollzugsanstalten (JVA) zu keiner Brutstätte extremistischen Gedankenguts werden, gibt Zulhajrat Fejzulahi Häftlingen Islamunterricht. Die MOPO hat den Imam exklusiv in die JVA Billwerder begleitet und erlebt, wie der 66-Jährige Gefangenen hilft – aber auch dem Bösen begegnet.
Es ist 16 Uhr, als das Einmaleins des Islams im Kirchenraum der JVA Billwerder abgefragt wird. „Was ist der Koran?“, will Zulhajrat Fejzulahi von den Männern wissen, die an der Islamstunde teilnehmen. „Das Buch Gottes“, sagt einer. Der Imam bohrt weiter: „Und wie viele Suren befinden sich darin?“„114“, antwortet ein anderer Teilnehmer.
Auch Seelsorge gehört zu den Aufgaben des Imams. Einen groſs gewachsenen Mann fragt er: „Ist es besser geworden?“Der Mann leidet an psychischen Problemen, Fejzulahi hatte ihm bei seinem letzten Besuch erklärt, wie er mithilfe des Korans und Gebeten besser einschlafen kann. „Es hat ein bisschen geholfen“, antwortet der Häftling.
Fejzulahi ist seit 33 Jahren Imam. Seine Gemeinde ist das „Islamisch Albanische Kulturzentrum“in St. Georg. Der 66Jährige spricht Albanisch, Mazedonisch, Bosnisch, Deutsch, Arabisch und Türkisch. Einmal im Monat besucht er ehrenamtlich die JVA Billwerder für die Islamstunde. „Solange es dort Muslime gibt, muss ich hin, sonst fangen Häftlinge an, sich Imam zu nennen – und das endet dann in einer falschen Auslegung des Islams“, sagt er.
Er meint damit Männer, die andere Gefangene vergiften – mit radikalem Gedankengut. Sie versuchen aus ihnen Salafisten zu machen, also Männer, die den „Dschihad“, den „Heiligen Krieg“befürworten. „Gefängnisse sind in Deutschland der beste Ort, um radikalisiert zu werden“, sagt Fejzulahi. „Einige Häftlinge sind allein, ihnen geht es nicht gut, sie suchen nach Halt in ihrem Leben. Schlechte Menschen nutzen dieses Vakuum aus und dann fehlt nur ein Funke, bis sie auf die schiefe Bahn geraten.“
Fejzulahi will in der Islamstunde darüber sprechen, welche Lebensprinzipien die Insassen sich aus dem Koran abgucken können. Die Teilnehmer sitzen um ihn herum, hören zu, ein arabischer Mann wirkt unruhig. „Herr Imam, der Koran hat doch die aktuellen Ereignisse auf der Welt schon vorausgesagt“, sagt er. Fejzulahi blickt ihn misstrauisch an. „Der Islamische Staat konnte bis heute nicht besiegt werden, weil Gott auf seiner Seite ist.“Das will der Imam nicht hinnehmen: „Nein! Stopp! Bitte! Erzähl nicht so einen Quatsch!“, antwortet er. Doch der Mann lässt sich nicht einfangen: „Ich habe vor niemandem Angst, auſser vor Gott!“, sagt er und haut auf den Tisch.
Auch über die eigentliche Bedeutung des Dschihads wird gesprochen. „Wenn der Prophet angegriffen wird, sollst du ihn verteidigen, aber nicht mit allen Mitteln“, sagt der Imam. „Bomben in Bussen zünden und dabei Unschuldige verletzen, davon steht nichts im Koran.“Der Mann erwidert: „Welche Bomben? Das erzählen uns doch nur die Juden!“
Die Situation zeigt: Es befinden sich Männer in Haft, die nur ein radikales Verständnis von Religion zulassen. Der Unterricht zeigt aber auch, dass die restlichen Männer friedlich gesinnt sind. Sie kommen zu Fejzulahi, um sich Rat zu holen.
Laut Justizbehörde sitzen derzeit zwei Islamisten in Hamburgs Knästen. Die Dunkelziffer wird gröſser sein. Dennoch gibt es nur vier Justizbeamte in der Stadt, die Türkisch sprechen können – Arabisch spricht niemand.
Imame wie Fejzulahi spielen deshalb plötzlich eine wichtige Rolle. Gerade deshalb findet er es schade, dass derzeit nur vier Imame in Gefängnissen aktiv sein können – ehrenamtlich.
Als die Islamstunde um 17 Uhr endet, entschuldigt sich der arabische Mann bei Fejzulahi – für sein aggressives Auftreten, nicht für seine Positionen. Auch für den MOPO-Reporter hat er noch eine Botschaft: „Er ist einer von euch“, sagt er, und deutet auf den Imam.