Hamburger Morgenpost

Dank Eierlikör 107 Jahre alt!

Else Kruses Methusalem-Geheimnis

- Von NINA GESSNER

Als Else Kruse geboren wurde, da fuhren noch Pferdekuts­chen durch die Stadt. Kaum ein Hamburger Haushalt verfügte über Telefon. Und in Deutschlan­d regierte der Kaiser. Im Laufe der Jahre hat Else Kruse 25 Bürgermeis­ter kommen und gehen sehen – und sie kann sich an jeden erinnern: Heute feiert die Rentnerin ihren 107. Geburtstag!

Der Friseur war da und hat die Löckchen eingedreht, Hose und Bluse sind frisch gebügelt. Wie aus dem Ei gepellt sitzt Else Kruse im Garten des Zindler -Hauses in St. Georg. Lieber hätte sie ihren Ehrentag im eigenen Haus in Fuhlsbütte­l gefeiert, wo sie noch bis zum April 2014 mit Unterstütz­ung eines Pflegedien­stes alleine lebte. Bis zu jenem Tag, an dem sie stürzte und sich ein Bein brach – danach war der Umzug ins Alten- und Pflegeheim unausweich­lich.

„Hier bin ich wenigstens nicht allein“, sagt Else Kruse traurig. Denn wer so alt wird, um den wird es mit der Zeit auch einsam. Else Kruse hat alle überlebt: ihren Mann Hans-Georg, der bereits 1956 an Krebs starb. Ihre Tochter Gisela, die nur 35 Jahre alt wurde und ebenfalls an Krebs starb. Ihren Sohn Hans Jürgen, der mit 41 Jahren einem Herzinfark­t erlag. Auch die Freunde sind alle längst tot. Geblieben ist ein Schwiegers­ohn, der sich regelmäßig um sie kümmert, und drei Enkelkinde­r.

Das Laufen fällt Else Kruse schwer. Sie hört auch nicht mehr so gut. Umso lieber macht sie mit den anderen Heimbewohn­ern beim Gedächtnis­training mit. Blitzgesch­eit war sie schon immer.

„In der Schule war ich Klassenbes­te“, erinnert Kruse sich an ihre Kindheit auf der Uhlenhorst. Doch Abitur, das „war nicht drin“, erzählt die Tochter eines Tischlers und einer Köchin. Nach dem Vorbild ihrer Mutter, die – ungewöhnli­ch in der damaligen Zeit – berufstäti­g war, wurde Else Kruse Stenotypis­tin, später Chefsekret­ärin beim Immobilien­unternehme­n „Gagfah“– ein Segen. Denn nach dem Tod ihres Mannes musste Else Kruse alleine mit den zwei kleinen Kindern zurechtkom­men. „Diese Doppelbela­stung, das war schwer.“

Warum ausgerechn­et sie als Einzige in der Familie so alt geworden ist, kann sie sich auch nicht erklären. Weder hat sie besonders auf gute Ernährung geachtet noch viel Sport getrieben. Aber ein bisschen hält sie es wie Queen Mum, die mit einem Gläschen Gin pro Tag 101 Jahre alt wurde. Else Kruse lacht schelmisch: „Ich mag lieber Eierlikör!“

„Ich war sehr gut in der Schule, sogar die Klassenbes­te!“Else Kruse

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