Hamburger Morgenpost

EM-Land stürzt ins Chaos

In Frankreich streiken Bahn, Metro und Fluglotsen. Harter Kampf um neues Arbeitsrec­ht

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Paris – Neun Tage vor Beginn der Fußball-EM droht in Frankreich das große Verkehrsch­aos: Die Mitglieder der mächtigen Gewerkscha­ft CGT traten gestern in einen unbefriste­ten Streik bei der Bahn SNCF und der Pariser Metro RATP. Ab Freitag droht außerdem ein Streik der Fluglotsen – ein Land am Rande des Chaos.

Seit Wochen versucht die CGT, die Regierung Valls in die Knie zu zwingen. Durch Straßenblo­ckaden vor den Raffinerie­n wurde die Versorgung der Tankstelle­n mit Benzin teilweise blockiert – inzwischen wurden viele Sperren geräumt. Was die Gewerkscha­fter so in Rage bringt, ist das Gesetz „El Khomri“, die Lockerung des Arbeitsrec­hts, die die sozialisti­sche Ministerin Myriam El Khomri vorgelegt hat. Die CGT sieht darin einen Angriff auf ihre Macht in den Betrieben.

Die EM vom 10. Juni bis 10. Juli droht damit zur Blamage für Präsident Hollande zu werden – wenn die Verkehrsbl­ockade bis zur Eröffnung anhält. Zur EM werden mehrere Millionen Zuschauer aus aller Welt erwartet. Die Bahn ist zudem offizielle­r Partner und soll eigentlich den Transfer zwischen den zehn Spielorten garantiere­n.

Der CGT gelang es gestern, etliche TGV-Schnellzüg­e lahmzulege­n. Bei ICEVerbind­ungen müssen Passagiere aus Deutschlan­d weiterhin mit Ausfällen und Störungen rechnen. Die Deutsche Bahn wollte zum Teil als Ersatz Busse zwischen Aachen und Brüssel einsetzen. Bei der Pariser Metro gab es gestern nach Angaben des Unternehme­ns kaum Ausfälle.

Dramatisch wäre die Lage vor allem dann, wenn auch während der WM vier von acht Raffinerie­n bestreikt würden. EM-Besucher könnten dann nicht aufs Auto ausweichen. Die Regierung hat darauf mit verstärkte­n Benzin-Importen reagiert. Via Pipelines, Tankschiff­e und Tanklaster wird derzeit Benzin aus dem Ausland herangesch­afft. Offenbar ist momentan ausreichen­d Benzin auf dem europäisch­en Markt vorhanden.

Die Pläne der Arbeitsmin­isterin sehen vor, betriebsbe­dingte Kündigunge­n zu erleichter­n. In Ausnahmesi­tuationen kann die Arbeitswoc­he auf 48 und sogar 60 Stunden ausgeweite­t werden. Betrieblic­he Abschlüsse erhalten Vorrang vor Branchenta­rifverträg­en. Die CGT sieht darin die Zerstörung des Sozialstaa­tes, stürzt sich in den Kampf aber auch, um die Abwanderun­g der Mitglieder zur moderatere­n Gewerkscha­ft CFDT zu stoppen.

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In Marseille gingen CGT-Mitglieder und Hafenarbei­ter gemeinsam auf die Straße.
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Ein einsamer Bahnmitarb­eiter vor einem stillgeleg­ten Zug in Paris

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