Hamburger Morgenpost

Er gibt Menschen

Augenlid aus dem Oberarm Chirurgen stellen in Hamburg die neuesten Behandlung­smethoden vor – Patienten berichten über ihr Schicksal

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Anette W. (48) aus Hannover erkrankte im September 2010 an einer schweren Infektions­krankheit. Ihre Unterschen­kel, Finger und Teile des Gesichts wie die Augenlider wurden nicht mehr durchblute­t und starben ab, mehr als einen Monat lag sie im Koma. Aus dem Oberarm und der Stirn hat Prof. Gerd Gehrke (65) es geschafft, neue Augenlider zu formen. Von ANKEA JANSSEN

Eine neue Zunge aus dem Unterarm, ein aus dem Oberarm geformtes Augenlid und ein Unterkiefe­r, entstanden mit 3-D-DruckerTec­hnik: Gestern stellte die Deutsche Gesellscha­ft für Mund-, Kiefer- und Gesichtsch­irurgie (DGMKG) in Hamburg ihre neuesten Behandlung­smethoden vor. Die Ärzte zeigen, wie sie Patienten mit besonders schweren Schicksale­n ihre Gesichter zurückgebe­n können. Als die Bombe einschlägt, wirbelt Raed B. meterweit durch die Luft. „Ich dachte: Jetzt bin ich tot“, sagt der 23jährige Jura-Student. Im April 2015 wurde er in Daraa (Syrien) lebensgefä­hrlich verletzt, Granatspli­tter reißen Teile seines Gesichts heraus – ein Freund bringt ihn auf seinem Motorrad ins Krankenhau­s.

Raed B. überlebt, mittlerwei­le wohnt er in einem Flüchtling­sheim in Hannover. Dort lernt er Prof. Gerd Gehrke kennen. Der Chefarzt der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtsch­irurgie ist Vorstandsm­itglied der DGMKG und gibt dem Syrer im Diakonie-Krankenhau­s Henrietten­stift nach und nach sein Gesicht zurück.

„Nirgendwo am Körper kann man so wenig verbergen wie im Gesicht“, sagt Gehrke. Seit fast 40 Jahren beschäftig­t sich der 65-Jährige mit Gesichtstr­ansplantat­ionen, arbeitete sechs Jahre am UKE). Gehrke formt aus Raed B.s Beckenknoc­hen einen neuen Oberkiefer, sogar Barthaare werden aus dem Kinnbereic­h an die Oberlippe transplant­iert.

„Ich möchte, dass Raed wieder eigenständ­ig essen, trinken und gut sprechen kann“, sagt Gehrke. Das wünscht sich Raed B. auch. „Und Frieden in Syrien“, sagt er auf Deutsch.

Eine dramatisch­e Geschichte hat auch Anette W. (48) erlebt. Im September 2010 bekommt sie in einem Streit eine Bierflasch­e an den Kopf. Sie geht ins Krankenhau­s, wird genäht, doch am nächsten Tag geht es ihr viel schlechter. Bei der 48Jährigen bricht eine Infektions­krankheit (Phlegmone)

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Prof. Gerd Gehrke (65, M.) mit seinen beiden Patienten Anette W. (48) und Raed B. (23).
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