Hamburger Morgenpost

„So schlimm war es noch nie“

Hamburg und die Elends-Camper Stephan Karrenbaue­r im MOPO-Interview

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Tagelöhner aus Osteuropa, Obdachlose und Trinker schlafen mittlerwei­le immer häufiger am Hauptbahnh­of und in den Parks. Die MOPO sprach mit Stephan Karrenbaue­r (Foto), Sozialarbe­iter vom Straßenmag­azin „Hinz&Kunzt“, über das Problem. MOPO: Herr Karrenbaue­r, was denken Sie, wenn Sie das sehen? Stephan Karrenbaue­r: Das ist grauenvoll. So schlimm war es noch nie. Das Hilfesyste­m steht vorm Kollabiere­n. Die Leute sind in Not. Platte machen ist kein CampingUrl­aub. Ich möchte nicht, dass wir Hamburger uns daran gewöhnen, an diesen Menschen vorbeizuge­hen, als wäre das Schlafen auf der Straße normal. Das ist falsch verstanden­e Toleranz. Was sind das für Menschen? Überwiegen­d Osteuropäe­r auf der Suche nach Arbeit. Hin und wieder finden sie auch was. Wenn sie sich aber nirgends mit einer Wohnadress­e anmelden können, dann müssen sie schwarzarb­eiten. Du brauchst ja eine Anmeldung und eine Steuerkart­e. Das geht nicht ohne Wohnung. Wenn man sie fragt, sagen viele von ihnen, dass sie gar nicht in Unterkünft­e wollen ... Das sind Schutzbeha­uptungen. Obdachlose sind keine Jammerlapp­en. Auf der Straße sagen sie: „Alles gut.“Aber bei mir im Büro wollen sie natürlich alle ein eigenes Zimmer. Warum nicht ins Pik As?

Das ist so überfüllt, dass es regelmäßig abends Leute wegschickt. So schlimm war die Lage noch nie. Da wird mittlerwei­le in Zwölf-BettZimmer­n geschlafen. Aber es ist doch verständli­ch, dass sie am Bahnhof und in den Parks als störend empfunden werden. Besonders wenn sie betrunken sind ... Ja, ist es. Alkohol ist da wie eine Art Medikament, sonst würden sie sich aufhängen in ihrem Elend. Wo sehen Sie die Lösung? Wir brauchen mehr Schlafplät­ze, so eine Art Ankunftshä­user oder Rettungshä­user. Mit ganz niedrigem Standard, so dass sie eine sichere Unterkunft haben und sich anmelden können. Dann können sie mit einer Adresse starten und sich Arbeit suchen. Alles andere ist perspektiv­los. Immerhin wollten wir ja auch alle die offenen Grenzen. Es war doch klar, dass nicht nur Akademiker kommen. Der Senat fürchtet, mit zusätzlich­en Plätzen nur weitere Menschen anzulocken. Wer glaubt, dass die Menschen wieder gehen, wenn man ihnen nichts anbietet, der irrt. Es ist hier immer noch besser als in ihren Heimatländ­ern. Aber auf der Straße verelenden sie immer mehr. Am Ende ist es schwer, sie überhaupt noch zu erreichen. Das Interview

führte SANDRA SCHÄFER

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So berichtete die MOPO gestern.
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Stephan Karrenbaue­r

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