Hamburger Morgenpost

„Ich habe den Konflikt mit dem Senat nicht bereut“

Kunsthalle­n-Chef Hubertus Gaßner sagt nach zehn Jahren Tschüs – und zieht Bilanz

- Das Interview führte TILL STOPPENHAG­EN

Er legte sich in aller Öffentlich­keit mit einer Kultursena­torin an, sorgte mit einem schwarzen Würfel vor seinem Museum für Kontrovers­en und bescherte seinem frisch sanierten Haus zum Schluss einen Besucherre­kord: Nach zehn Jahren als Direktor der Kunsthalle verabschie­det sich Hubertus Gaßner (66) nun in den Ruhestand. Und zieht in der MOPO Bilanz.

MOPO: Sie haben eines der bedeutends­ten Kunstmusee­n Deutschlan­ds saniert und nach der Neueröffnu­ng für einen Besucherre­kord gesorgt. Klingt nach einem gelungenen Abschied in den Ruhestand.

Hubertus Gaßner: Das ist natürlich die Krönung meiner Karriere. Und der Umbau wurde vom Publikum gut angenommen. Wir hatten im ersten Monat, in dem der Eintritt frei war, 200000 Besucher. Bei den Gesamt-Besucherza­hlen pro Jahr stehen wir bundesweit in der Regel unter den fünf bestbesuch­ten Museen. Und darauf sind wir stolz, denn Hamburg ist ja nicht unbedingt eine Museumssta­dt. Wofür steht Hamburg denn?

Mehr für Freizeit, Vergnügen, Schönheit der Stadt. Ich habe immer ein Problem, wenn mich Besucher fragen, was man hier unbedingt gesehen haben muss. Es ist alles ringsherum sehr schön, aber es gibt nicht die drei Punkte, die man gesehen haben muss. Das macht aber auch die entspannte Atmosphäre aus. Wie haben Sie Hamburg kennengele­rnt?

Ich war damals 17, war mit ein paar Freunden hier. Wir wollten natürlich auf die Reeperbahn, morgens um fünf. Ich fand’s todlangwei­lig. Also sind wir dann weiter zu den Landungsbr­ücken. Es war mittlerwei­le sechs Uhr, die Sonne ging auf, und da war es: das Tor zur Welt! Wo ist Hamburg für Sie am typischste­n?

Ich fahre jeden Morgen mit dem Fahrrad an der Elbe entlang nach Teufelsbrü­ck und mit dem Bus zurück – da fahren die großen Pötte vorbei, das ist für mich das absolute Hamburg-Feeling. Ist das Hamburger Publikum speziell?

Die Hamburger sind sehr lern- und wissbegier­ig, sitzen bei einer Ausstellun­gseröffnun­g schon eine halbe Stunde vorher da und hören aufmerksam zu. In München fangen die Leute nach spätestens zehn Minuten selbst an zu reden. Der Hamburger geht mit dem Verstand an die Kunst heran. Das hängt wohl mit dem Protestant­ismus zusammen: Hier ist das Wort sehr wichtig, im Katholizis­mus eher der Weihrauch. Im Süden geht es um die sinnliche Show, im Norden um das Verstehenw­ollen. Was ist Ihnen bei der Gestaltung von Ausstellun­gen wichtig? Man muss überlegen, was die Menschen interessie­rt. Einerseits setzen wir auf große, populäre Themen wie Manet, den viele aus der Schule kennen, zeigen sein Werk aber unter neuen Aspekten. Anderersei­ts setzen wir auf unerwartet­e Themen oder noch unbekannte Künstlerin­nen und Künstler. Und es geht mir darum, dem Besucher zu erklären, warum er sich Kunst anschauen sollte. Ich will aber niemanden belehren. Sondern?

Es soll darum gehen, das Sehen zu erlernen, eigene Urteile zu bilden – raus aus der Konsumhalt­ung.

2010 wollte die damalige Kultursena­torin Karin von Welck Ihren Vertrag nicht verlängern, da Sie den Konflikt mit Ihr über Sparmaßnah­men öffentlich gemacht hatten. Hatten Sie damals noch Hoffnung, Ihren Job zu behalten? Es ging auch darum, ob wir Kunst aus unserer Sammlung verkaufen sollen. Hier sah ich die Wurzeln des Museums in Gefahr. Ansonsten habe ich mich mit Frau von Welck eigentlich immer gut verstanden, die Presse hat die Gegensätze zwischen ihr und mir damals unverhältn­ismäßig hochgespie­lt. Dass es für mich doch noch gut ausging, habe

ich vor allem Mitglieder­n im damaligen Stiftungsr­at zu verdanken. Ich habe es nicht bereut. 2007 ließen Sie vor der Kunsthalle einen schwarzen Würfel aufstellen, der an das islamische Heiligtum Kaaba erinnert – schon damals wurden Anschläge befürchtet. Würden Sie das angesichts der aktuellen politische­n Lage wieder initiieren? Ja. Natürlich nur unter denselben Voraussetz­ungen wie damals: Wir haben mit den Imamen der umliegende­n Moscheen gesprochen. Sie haben den Cube begrüßt, die Verbindung­en sind seitdem nicht abgerissen. Aufeinande­r zuzugehen ist immer das Beste.

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 ??  ?? 2007 ließ Gaßner Gregor Schneiders umstritten­e Installati­on „Cube Hamburg 2007“vor der Kunsthalle (r.) aufstellen.
2007 ließ Gaßner Gregor Schneiders umstritten­e Installati­on „Cube Hamburg 2007“vor der Kunsthalle (r.) aufstellen.
 ??  ?? Die Kunsthalle erstrahlt seit Ende April in neuem Glanz. Die Räume bekamen neue Schalldämp­fung und moderne Sicherheit­stechnik.
Die Kunsthalle erstrahlt seit Ende April in neuem Glanz. Die Räume bekamen neue Schalldämp­fung und moderne Sicherheit­stechnik.
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