In die Packung
Die Ernte der süßen Knolle läuft auf Hochtouren. Tag und Nacht fahren Lkw zum Werk in Uelzen
Von SANDRA SCHÄFER
Spinatartiges Grün, so weit das Auge reicht. Eine gewaltige Ernte-Maschine reißt die Pflanzen aus dem Boden und zum Vorschein kommen erdige Rüben. Doch was aussieht, als würde es Hasen satt machen, sorgt tatsächlich bei uns Menschen für glückliche Gesichter. Denn ohne Zuckerrüben gäbe es keine Franzbrötchen, keine Marmelade, Gummibärchen oder Cola.
Seit Mitte September sind die Rodungs-Maschinen im Hamburger Umland permanent im Einsatz. „Die Ernte ist durchschnittlich gut“, sagt Landwirt Dietrich Dammann (58) aus Buxtehude. Seine Familie baut schon seit den 60er Jahren Zuckerrüben an. Bis Silvester läuft die Ernte, die sogenannte „Rüben-Kampagne“. Bis dahin rollen die Laster mit den Knollen Tag und Nacht zum Nordzucker-Werk in Uelzen, das in dieser Zeit auch rund um die Uhr Zucker aus den Rüben gewinnt. Damit es im nächsten Jahr wieder Schoko-Hasen und Eiscreme gibt.
Rund zehn Kilo Schokolade und mehr als fünf Kilo Gummibärchen und Bonbons essen die Deutschen jedes Jahr. Alle gesüßten Produkte zusammengerechnet, kommen wir auf 35 Kilo pro Kopf. Und rund 90 Prozent dieses Zuckers kommen aus der Zuckerrübe. Zucker aus Zuckerrohr spielt kaum eine Rolle, er wird nur in geringen Mengen aus Brasilien importiert. Selbst der braune Zucker für Kandis und Cocktails stammt meist aus Zuckerrüben. „Rübenzucker ist auch erst braun und wird dann bei der weiteren Verarbeitung weiß“, erklärt Ole Christiansen (30) aus Bliedersdorf. Er ist der Geschäftsführer des Maschinenrings Stade, der die RübenKampagne für alle Landwirte seiner Region organisiert.
Rund 100 LkwLadungen mit Rüben rollen innerhalb von 24 Stunden derzeit aus Stade Richtung Uelzen. Hinterm Steuer sitzen dann auch Friseure oder Bäckergesellen – denn viele nehmen sich jedes Jahr extra frei, um die lukrativen Fahrjobs zu übernehmen. Dafür müssen sie dann aber auch nachts um 3 Uhr noch mit einem 40-Tonner über die Landstraßen donnern. Bei Nordzucker in Uelzen werden die Rüben gewaschen und zerhackt. Danach wird in heißem Wasser der Zucker herausgelöst. Die Rüben haben in einem guten Erntejahr einen Zuckergehalt von knapp 20 Prozent. Dem entstandenen Rohsaft wird immer wieder Wasser entzogen, bis der Zucker kristallisiert. Beim Zentrifugieren werden zum Schluss die Zuckerkristalle vom Sirup getrennt. Der ganze Prozess dauert etwa acht Stunden. Danach kommt der Zucker in gewaltige Silos, wo er bis zum Verkauf gelagert wird. Die größten Zuckermengen gehen direkt an die Hersteller Rübenzucker ist eine deutsche Erfindung, die erste Zuckerfabrik stand auch in Deutschland. 1747 wurde nachgewiesen, dass die Rübe Zucker enthält. 1802 wurde die erste Rübenzuckerfabrik der Welt in Cunern (Schlesien) gebaut. Napoleon sorgte unfreiwillig für den kometenhaften von Schokolade, Kuchen und Co. Nur rund 20 Prozent landen in Form von Streu-, Würfel- oder Puderzucker in den Regalen der Supermärkte.
Wie viel Zuckerrüben die Bauern produzieren dürfen, das ist EU-weit durch Quoten festgelegt – ähnlich wie bei der Milchquote. Und wie bei der Milch fällt die europaweite Quote für Zuckerrüben. Das wird im nächsten Jahr besonders für Frankreich und Deutschland spannend. Denn das sind europaweit die größten Zuckerproduzenten. „Ich hoffe nicht, dass es uns so ergeht wie den Milchbauern“, sagt Landwirt Dietrich Dammann. Er bleibt vorerst cool. „Wir warten mal ab, wie die Preise sich dann entwickeln.“
Gute Rüben enthalten 20 Prozent Zucker. Die Deutschen haben den Rübenzucker entwickelt
Aufstieg der Zuckerrübe in Europa. Seine Kontinentalsperre von 1807 bis 1813 verteuerte den Import von Rohrzucker aus den Kolonien drastisch. Heute produzieren knapp 30 000 landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland drei Millionen Tonnen Rübenzucker – auch für den Export.