Haarscharf an der Katastrophe vorbei
Terrorverdächtiger in Leipzig gefasst. Zwei Syrer lieferten ihn gefesselt der Polizei aus. Seine Wohnung war eine Bombenwerkstatt
Leipzig/Chemnitz – Der Zugriff erfolgte um 0.42 nachts – aber nicht in Chemnitz, sondern in Leipzig. Dort fasste die Polizei den flüchtigen IS-Verdächtigen Jaber al-Bakr. Der 22-jährige Flüchtling aus Syrien besaß hochgefährlichen Sprengstoff. Möglicherweise wurde ein Anschlag nur knapp verhindert.
Wie kam es zur Festnahme? Offenbar wollte sich Al-Bakr in der Wohnung von zwei Landsmännern in der Hartriegelstraße im Leipziger Stadtteil Paunsdorf verstecken. Doch diese erkannten ihn nach einigen Stunden anhand der auf Arabisch verbreiteten Fahndung, fesselten ihn mit einem Seil und verständigten die Polizei. Die musste den mutmaßlichen Terroristen nur noch in der Wohnung abholen.
Wie kam Al-Bakr trotz der Großfahndung von Chemnitz nach Leipzig?
Das gehört zu den Ungereimtheiten der Fahndung. Al-Bakr befand sich seit Sonnabend auf der Flucht, nachdem er in Chemnitz der Festnahme um Haaresbreite entkommen war. Möglicherweise benutzte er die Bahn – er soll die Landsleute auf dem Leipziger Hauptbahnhof angesprochen haben.
Was hatte er in seiner Chemnitzer Wohnung?
Nach Erkenntnissen der „SZ“war die Wohnung (der 33-jährige syrische Mieter ist in UHaft) eine Bombenwerkstatt. Al-Bakr hatte bereits 500 Gramm des hochexplosiven Sprengstoffs TATP zusammengemischt, einer besonderen Acetonperoxid-Variante. Fahnder nennen TATP „die
Mutter des Satans“. Außerdem befanden sich Zündkapseln, wie sie für Rohrbomben benötigt werden, und ein Kilo Chemikalien in der Wohnung. Ist das ein Hinweis auf einen
Terroranschlag? Eindeutig: ja. Acetonperoxid kann aus Haushaltsreinigern gemischt werden und ist deshalb bei Terroristen beliebt. Der Sprengstoff wurde auch beim IS-Angriff auf Paris im November 2015 gezündet. Laut Verfassungsschutz-Chef Maaßen hatte Al-Bakr Züge und einen Berliner Flughafen im Visier.
Warum scheiterte die Festnahme in Chemnitz?
Die Beamten gaben in dem PlattenbauViertel einen Warnschuss ab und sahen Al-Bakr, konnten
ihn aber nicht fassen. Das Landeskriminalamt wies Vorwürfe zurück, es sei eine Panne passiert. In dem noch nicht geräumten Haus habe man zu Recht Sprengstoff vermutet, sagte ein LKA-Sprecher. „In so einer Situation können wir nicht ins Risiko gehen.“Wie wurden die Behörden auf
Al-Bakr aufmerksam? Der Islamist wurde schon länger vom Verfassungsschutz beobachtet, über ihn lagen „Erkenntnisse“vor. Er hatte Kontakt per Internet zum IS. Der junge Mann kam vor einigen Monaten als Flüchtling nach Deutschland. Die CSU forderte deshalb eine lückenlose Überprüfung aller Flüchtlinge. Der CSU-Innenexperte Stephan Mayer verlangte die Einführung eines Haftgrundes „Gefährdung der öffentlichen Sicherheit“.
„In so einer Situation können wir nicht ins Risiko gehen.“Ein LKA-Sprecher