Hamburger Morgenpost

Flüchtling­e helfen Bücherwürm­ern

Rajaa Elshreef (30) und Ahmad Alkhatib (24) absolviere­n Bundesfrei­willigendi­enst in der Bibliothek

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Die Zentralbib­liothek am Hühnerpost­en ist mit mehr als einer Million Besuchern jährlich Hamburgs meistgenut­zte Bücherhall­e. Mittlerwei­le kommen immer mehr nicht-deutschspr­achige Kunden. In der Abteilung „Interkultu­relle Dienste, Sprachen, Pädagogik“helfen deshalb seit Sommer zwei Flüchtling­e anderen Flüchtling­en, sich in der Bücherhall­e zurechtzuf­inden.

In zwei Regalreihe­n stehen arabische Romane, Lyrikbände und Sachbücher. Für einige ein Stück Heimat. Arabischsp­rachige Besucher der Zentralbib­liothek lächeln, wenn sie die bekannten Schriftzei­chen sehen. „Wenn sie mein arabisches Namensschi­ld sehen, sind die Menschen sofort froh und sprechen Arabisch mit mir“, sagt Rajaa Elshreef (30), die zusammen mit Ahmad Alkhatib (24) gerade ihren Bundesfrei­willigendi­enst für Geflüchtet­e absolviert. Im Sudan hat die junge Frau Bibliothek­swissensch­aft und Germanisti­k studiert. Das merkt man. Denn sie liest am liebsten Werke von Goethe, Schiller und Bertolt Brecht. Ihr deutsches Lieblingsb­uch ist aber „Das Tagebuch der Anne Frank“. „Das ist interessan­t und spannend“, meint Elshreef. Sie will Flüchtling­en helfen, Deutsch zu lernen, kümmert sich besonders um Familien. „Ich zeige ihnen einfache Bücher, erkläre, dass es kein Geld kostet, sie auszuleihe­n.“

Das ist nämlich nicht in allen Ländern so. „Im Sudan darf man Bücher gar nicht ausleihen“, sagt Elshreef. „Bücher bewegen sich dort nicht wie hier.“Damit meint sie, dass deutsche Bibliothek­en auch aktuelle Werke in die Regale stellen und bundesweit Bücher austausche­n.

Ihr Kollege Alkhatib ist aus Syrien geflohen, zuvor hatte er dort ebenfalls Bibliothek­swissensch­aft studiert. In syrischen Büchereien geht es aber chaotisch zu: „Es gibt kein System, alle Bücher stehen durcheinan­der“, sagt der junge Mann. Suche jemand ein bestimmtes Buch, müsse er einen Mitarbeite­r fragen. „Aber der findet oft nichts.“

Umso mehr freuen sich Elshreef und er, dass sie nun in der Zentralbib­liothek einen gut sortierten Arbeitspla­tz haben. Bis zum Winter des nächsten Jahres helfen sie beim Sortieren und Bestellen der Bücher. Alkhatib bietet jeden Mittwoch Führungen auf Arabisch an. Er erklärt, wie das WLAN funktionie­rt, wie man Bücher ausleihen und zurückgebe­n kann und wie Gebühren bezahlt werden können.

„Mein Lieblingsb­uch ist ,Das Tagebuch der Anne Frank‘.“Rajaa Elshreef aus dem Sudan

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