Mal Liebling, mal Störenfried
In seinen zahlreichen Rollen spielte Krugsich immer selber
Er trug gerne diese bunten Krawatten. Häufig waren sie gelb, hatten blaue oder rote Streifen. Manchmal gab es sie mit noch grellerem Farbensalat. Darüber zog sich Manfred Krug bunte Karo-Pullover oder wild gemusterte Jacken.
Bunt, schrill, anders – so mochte er sich. In allen Lebenslagen. Sei es auf der Leinwand als Hamburgs „Tatort“-Kommissar Paul Stoever und als Rechtsanwalt Robert Liebling in der TV-Serie „Liebling Kreuzberg“oder im Privatleben.
Er sei immer echt gewesen, betonte er häufig. Auch in seinen Rollen. Dafür habe er sich nie einen neuen Gang oder eine andere Gesichtsgrimasse zugelegt. „Ich habe immer gespielt, als sei ich Manfred Krug.“
Als dieser Hüne von 1,90 Metern Größe, der bereits in der DDR als Legende gefeiert worden war, in den Westen kam, brauchte es nicht lange, bis er auch dort engagiert wurde. Ob in der „Sesamstraße“neben dem knuffigen Samson und Horst Janson. Oder als der ewig von Geldsorgen gebeutelte Fernfahrer Franz Meersdonk in „Auf Achse“. Und natürlich als fröhlicher Anwalt in „Liebling Kreuzberg“.
Krug zog sein Ding durch. Auch als er 1984 „Tatort“-Kommissar an der Seite von Charles Brauer wurde. Ein Publikumserfolg, diese zwei Käuze, die lieber am Klavier sitzen und singen – anstatt hektisch Verbrecher zu jagen. 17 Songs gaben sie bis zur letzten Folge 2011 zum Besten. In den Medien galten die beiden TV-Ermittler bald als das entspannteste Duo. Gut, der Krug gab sich oft etwas mürrisch, aber das hatte doch auch Charme.
Manfred Krug mochte die Rolle: „Ich war damals froh, sie bekommen zu haben.“Immerhin habe er auch drei jugendliche Kinder zu ernähren gehabt, die Miete sei zu bezahlen gewesen.
Und er habe wieder eine Chance bekommen, sich selbst zu spielen. Was sollte er sich auch verbiegen? „Dazu war er immer zu stolz“, sinnierte vor längerer Zeit Wolf Biermann.
Bei ihm, dem damals in der DDR in Ungnade gefallenen Liedermacher und Lyriker, hätten die Menschen damals zu der Zeit die Straße gewechselt, wenn er ihnen entgegenkam. Bei dem „Manne“sei das nie so gewesen. Obwohl der ebenso schon in der DDR als aufmüpfig galt. Aber auch als Superstar.
Und alle wussten: Die Klappe halten war nicht sein Ding.
Von 1962 an feierte Krug in der DDR seine ersten großen Filmerfolge. Er spielt damals unter anderem einen Grenzsoldaten in „Der Kinnhaken“, der sich in eine Frau aus Ost-Berlin verliebte, die in West-Berlin anschaffen ging. Diese galt es auf den besseren Pfad zurückzuführen. In die DDR. Damals begeisterte sich Krug noch für den Mauerbau, liebte die Idee, dass eine neue sozialistische Gesellschaftsordnung geschaffen wird. Später allerdings sagte er über diese Rolle, dass es im Nachhinein ein scheußlicher Film gewesen sei. Er habe sich damals vergriffen – zum Glück sei dies nur einmal in seinem Leben geschehen.
Beim Dreh war er wie im wahren Leben. Krug mischte sich ein, galt oft als unausstehlich, unverschämt und frech am Set, erinnern sich Kollegen. Aber alle mochten ihn dann irgendwie doch, den Manne. Und auch die Partei schmückte sich mit dem Schauspieler.
Das ändert sich 1966 schlagartig. Krug spielte den aufmüpfigen Zimmermann Hannes Balla in dem legendären Film „Spur der Steine“.
Balla und seine Leute halten in dem Film nicht viel von den bürokratischen Regeln der Planwirtschaft, zählen aber trotzdem zu den produktivsten Arbeitsbrigaden auf dem Bau.
Schon bei der Premiere kam es zum Eklat. Parteifunktionäre buhten. Nach nur drei Tagen verschwand der Film aus den Kinos. Bis zum Ende der DDR durfte er nicht mehr aufgeführt werden.
Als zehn Jahre später Wolf Biermann ausgebürgert wurde, hatte Krug die Nase voll. Er reiste 1977 in den Westen aus.
Er habe sich nie verbiegen wollen, sagte er vor ein paar Jahren. Damit sei er immer gut gefahren. Und er habe immer das gemacht, was er gewollt habe. Musik zählte dazu. Am meisten liebte er den Jazz. Weil dieser so schwungvoll war...