Er sucht für 10 Millionen Tiere ein Zuhause
Matthias Glaubrecht hat den Keller voller wertvoller Exponate. Die würde er gerne in einem Naturkunde-Museum zeigen – doch der Senat lässt ihn hängen
Prof. Matthias Glaubrecht (54) residiert in einem maroden Uni-Gebäude. Er kämpft für ein Naturkunde-Museum – doch der Senat rührt sich bisher nicht.
Das Naturhistorische Museum am Hauptbahnhof war jahrzehntelang weltberühmt – bis es bei Bombenangriffen 1943 schwer getroffen wurde. Ein Teil der Sammlung wurde damals zerstört. Aber eben nicht alles: Rund zehn Millionen Exponate konnten gerettet werden. Heute lagern sie in einem baufälligen Uni-Gebäude. Für sie hat Professor Matthias Glaubrecht (54), Chef des Centrums für Naturkunde an der Uni, eine Vision: Er will ein neues Naturkundemuseum gründen! Die MOPO am Sonntag sprach mit dem Schnecken-Forscher über eine Million Spinnen im Keller, die Wichtigkeit von Mücken – und über die Verweigerungshaltung des Senats.
MOPO am Sonntag: Herr Glaubrecht, im Senat gelten Sie ein bisschen als Nervensäge ... Matthias Glaubrecht: Oh! Den Ruf hab ich mir schon erarbeitet?
Können Sie damit leben?
Damit kann ich gut leben.
Sie wollen unbedingt wieder ein Naturkundemuseum für Hamburg. Braucht die Stadt denn eins? Genauso könnten Sie fragen: Braucht Hamburg eine Oper? Natürlich benötigt eine Weltstadt eine Oper! Hamburg hatte vor dem Krieg das zweitgrößte deutsche Naturkundemuseum. Das wurde zerstört – und wir brauchen es wieder. Denn Naturkunde hat eine große gesellschaftliche Bedeutung. Da geht’s um Fragen wie: Welche Krankheiten bedrohen uns? Welche Tiere müssen wir schützen? Hamburg hat die Staatsoper, bald die Elphi und braucht dringend ein Naturkundemuseum? Wirklich? Ja, genau. Erst damit wär Hamburg komplett. Ein Naturkundemuseum
ist mindestens so wichtig wie ein Hafenmuseum. Der Unterschied: Das Hafenmuseum ist längst finanziert.
Der Bundeskulturausschuss in Berlin hat die 110 Millionen Euro bewilligt, das ist kein Geld aus Hamburg. Unsere Sammlung gehört der Hansestadt und der Senat ist dafür verantwortlich, sie adäquat unterzubringen. Mehr noch: Wir leisten hier Forschung – so wie beispielsweise „Desy“auch – sitzen aber in einem baufälligen Gebäude. Was müsste der Senat Ihrer Meinung nach tun?
Hier neu bauen! Oder auf dem Klima-Campus. Oder wir ziehen in das Gebäude des alten Fernmeldeamts an der Schlüterstraße, das wäre auch denkbar. Und wie stellen Sie sich denn die Finanzierung vor?
Wir reden von 50 bis 60 Millionen Euro für eine angemessene Unterbringung der Sammlung. Wir vermissen das Signal an die Mäzene, das sagt: Der Senat steht hinter den Planungen für ein Naturkundemuseum.
Sie habe Naturkundem tet. Da freut man ne halbe Million Besu Jahr. Sie sagen, dass das auc hier möglich ist – aber dersind zeit es 70 000. Diese 70 000 haben wir im Zoologischen Musedie um. Und Zahlen steigen kontinuierlich, obwohl wir wenig Platz haben. Als ich 1997 nach Berlin gekommen bin, hat über das dortige Museum niemand geredet. Die Besucherzahlen laWir gen um die 20 000. haben eiDauerausstelschon ne neue attraktive lung erarbeitet – und kakundemuseum men die Besucher. So einfach geht das?
Ja, aber Berlin hat sich in esamt gewandelt. Eine gewisse mediale Aufmerksamkeit hat uns natürlich auch geholfen. Das brauchen wir in Hamburg auch. Wir brauchen eine geniale Architektur an einem touristisch interessanten Ort mit einer tollen Ausstellungskonzeption. Wir haben gute Argumente und Ideen für ein attraktives Haus, das die Menschen anzieht. Was macht Sie so sicher, dass die auch kommen?
Hamburg hatte vor dem Krieg im Naturmehr
Besucher als Berlin!
Was ist de nn von der berühmten Sammlung übriggeblieben?
Etwa die Hälfte. Die Insekten sind weg. Die Knochen sind weg. Die Schnecken und Muscheln sind weg. Und was haben Sie noch?
Alles, was in Alkohol gelegt ist:
Reptilien, Fische ... Und die Wirsind bellosen – das die meisten Tierstämme, die es gibt, die Mehrzahl aller Tiere sind Spinnen, Schnecken, MuKäfer... scheln, Dafür interessiert sich jemand?
Für Spinnen definitiv. Und davon haben Sie den Keller voll? Ja, da lagern so etwa eine Million. Unglaublich!
Genau! Und nehmen Sie MüSchnaken. cken, Es gibt 20 000 Schnaken-Arten. Ich bitte Sie, wen interessieren denn solche Viecher?
Die Wissenschaft! Für die Forschung ist die Sammlung immens wichtig. Denken Sie an die Übertragung von Tropenkrankheiten durch Mücken. Beim Stichwort Museum denken die wenigsten an Forschung, doch die ist genauso wichtig. Der Senat ist nicht verpflichtet, Hamburg eine Ausstellung zu präsentieren – wohl aber eine Forschungsstätte mit Alleinstellungsmerkmal adäquat unterzubringen. Und warum tut der Senat nichts?
Das müssen Sie den Senat fragen. Ein Naturkundemuseum wäre Teil eines Bekenntnisses zum Wissenschaftsstandort Hamburg. Und darüber würden wir uns sehr freuen. Sind Sie noch optimistisch?
Klar, ich hab ja erst angefangen.