Ohrfeige für Hamburgs Polizei
Richterin im Sex-Mob-Prozess
Übergriffe zu Silvester: Alle angeklagten Flüchtlinge freigesprochen. Massive Kritik an Ermittlern, weil sie Zeugen manipulierten.
Haftentschädigungen für drei Flüchtlinge. Richterin entschuldigt sich sogar
Von ANKEA JANSSEN und STEPHANIE LAMPRECHT
„Ich bin erschüttert über das, was dieses Verfahren zutage gebracht hat: Es wurden vermeintliche Beweise erbracht, die keine sind.“Mit deutlichen Worten in Richtung Polizei und Staatsanwaltschaft begründete Richterin Anne Meier-Göring die Freisprüche, mit denen (auch) der letzte Prozess um den Silvester-Sex-Mob auf dem Kiez endete.
Zwei Berufsrichter und zwei Schöffen sprachen die Flüchtlinge Alireza N. (26), Abidi A. (24) und Aydub B. (ca. 20) vom Vorwurf der sexuellen Nötigung und Beleidigung frei. Für die U-Haft erhalten die Männer aus Marokko, Tunesien und dem Iran jeweils zwischen 4000 und 4675 Euro Entschädigung (25 Euro pro Hafttag, insgesamt 12 775 Euro). Auch die Staatsanwaltschaft hatte für Freispruch plädiert.
In der Urteilsbegründung ging die Vorsitzende Richterin mit den Ermittlern hart ins Gericht: „Die Polizei wollte durch den öffentlichen Druck und auch den der Medien und der Politik unbedingt Ermittlungserfolge sehen.“Und: „Die Polizeibeamten haben der Zeugin Fotos gezeigt, bevor sie eine Täterbeschreibung abgegeben hat. Das halte ich nicht nur für unprofessionell, sondern für dramatisch.“
Eine Polizistin habe dem Angeklagten Alireza N. in der Vernehmung „an den Kopf geworfen“, dass sie wüsste, was er getan habe. Richterin Meier-Göring: „Ich möchte mich ausdrücklich für diesen Teil der Befragung entschuldigen.“Der Polizei, so die Vorsitzende, sei keine Überführung gelungen: „Sondern sie hat schlicht und ergreifend geraten.“Die 19-jährige Schülerin, die sich erst Tage später nach Medienberichten bei der Polizei gemeldet habe, sei nicht traumatisiert, sondern habe nach den Übergriffen noch bis halb fünf weitergefeiert. Die Richterin: „Und das ist auch gut so.“
Bereits im Sommer hatte die Kammer die Haftbefehle aufgehoben, weil sie keinen hinreichenden Tatverdacht mehr sah. Das Hanseatische Oberlandesgericht hatte die Haftbefehle nach Beschwerde der Staatsanwaltschaft jedoch wieder in Kraft gesetzt. Diese Entscheidung nennt die Richterin „eine krasse Fehlentscheidung“: „Das hat die Angeklagten drei Monate ihres Lebens und Hamburg viel Geld gekostet.“
Zu den drei Männern sagte Anne Meier-Göring: „Das Entschädigungsgeld ist ein Startgeld in ihr Leben in Deutschland. Ich wünsche Ihnen alles Gute.“