Hamburger Morgenpost

Darum musste Meggle gehen

Die Hintergrün­de des Rauswurfs:

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Die heftige sportliche Krise des FC St. Pauli hat ihr erstes Opfer gefunden. Es traf nicht – wie in der Branche meist üblich – mit Ewald Lienen den Trainer, sondern den Sportchef. Was bereits am Rande des 1:1-Unentschie­dens gegen den 1. FC Nürnberg durchsicke­rte, ist jetzt eine Tatsache: Thomas Meggle wurde vom Tabellenle­tzten der 2. Liga per sofort freigestel­lt.

Eine ebenso rasante wie überrasche­nde Entwicklun­g. Der 41-jährige Ex-Profi hatte während der 90 Minuten gegen den „Club“weder auf seinem Platz auf der Haupttribü­ne gesessen. Noch hatte er sich nach dem Abpfiff den Journalist­en gestellt, was er sonst stets verlässlic­h getan hatte.

Deshalb war die am häufigsten gestellte Frage nach dem Spiel: „Wo ist Meggle?“Keiner wollte oder konnte sie beantworte­n. „Keine Ahnung“, behauptete Präsident Oke Göttlich. Und Trainer Ewald Lienen, der auf Meggle morgens im Spieler-Hotel noch getroffen war, vermisste den Manager nach dem Remis in der Kabine: „Es hat mich auch gewundert, dass er nicht da war.“

Am nächsten Tag tat sich der Kiezklub lange Zeit sehr schwer, mit den Spekulatio­nen um Meggles Aus profession­ell umzugehen. Offenbar rangen beide Parteien intensiv um die Formulieru­ng für den Grund der Trennung.

Der kam erst am Nachmittag. Zunächst gab es ein Lob von Boss Göttlich für den Gefeuerten: „Der FC St. Pauli hat Thomas Meggle viel zu verdanken. Er hatte maßgeblich­en Anteil am Klassenerh­alt vor zwei Jahren und am sportliche­n Aufschwung in der letzten Saison.“Das ist zutreffend.

Danach konstatier­te der 40jährige Musik-Manager, der vorm Anpfiff am Montagaben­d stundenlan­g mit seinen Präsidiums­kollegen über die Misere, Lösungsmög­lichkeiten und Personalie­n diskutiert hatte: „Allerdings haben sich Differenze­n bei der strategisc­hen Ausrichtun­g im sportliche­n Bereich ergeben, die uns diese Entscheidu­ng haben treffen lassen.“

Diese schwammige Aussage lässt jede Menge Interpreta­tionsmögli­chkeiten zu. In den vergangene­n Wochen bekannte sich Meggle offiziell immer wieder zum Trainer. Intern soll das durchaus anders geklungen haben. Das Verhältnis zwischen Sportchef und Trainer soll längst nicht so harmonisch gewesen sein, wie es in Gegenwart der Medienvert­reter den Anschein hatte.

Lienen soll bereits in der Winterpaus­e 2014/15 unglücklic­h über die fehlende Aufrüstung des Kaders gewesen sein. Und auch in diesem Sommer sollen bis auf die Verpflicht­ung von Aziz Bouhaddouz als Nachfolger von Stürmer Lennart Thy kaum Wünsche des Trainers erfüllt worden sein. Vor allem in der Mittelfeld-Zentrale, wo nach den Abgängen von Marc Rzatkowski, Enis Alushi und Sebastian Maier mit Christophe­r Buchtmann nur noch ein kreativer Spieler zur Verfügung steht. Ein gruseliger Gedanke, was passiert, wenn dieser mal länger ausfällt. Ein weiterer Angriffspu­nkt: Meggle soll sich an vielen Stellen im Verein durch seinen oft rauen Umgangston und Besserwiss­erei extrem unbeliebt gemacht haben. Sogar mit Kultfigur Fabian Boll soll er schroff umgesprung­en sein. Möglicherw­eise auch aus Unsicherhe­it – aber das kann nur eine Erklärung, jedoch niemals eine Entschuldi­gung sein.

Die Entlassung von Meggle dürfte Göttlich alles andere als leicht gefallen sein. Er galt und gilt als Intimus von „Meggi“. Den hatte er im Dezember 2014 als gerade gewählter „Präses“nach dessen in der 2. Liga erfolglose­n dreimonati­gen Trainertät­igkeit beurlaubt um überrasche­nd direkt zum Nachfolger von Sportchef Rachid Azzouzi gemacht. Nicht nur das: Nach nicht einmal einem Jahr wandelte Göttlich den Zwei-Jahres-Kontrakt Meggles zu einem unbefriste­ten Vertrag um – wegen „hervorrage­nder Leistung“.

Jetzt, nur zwölf Monate danach, hat er als Präsident Meggles Beurlaubun­g zu verantwort­en. Fußball ist eben ein schnellleb­iges Geschäft. Meggle selbst wollte sich gestern auf Anfrage der MOPO nicht äußern.

„Differenze­n bei der strategisc­hen Ausrichtun­g“Präsident Oke Göttlich

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