Das Herz Italiens liegt in Trümmern
Nachbeben erschüttern die Regionen Marken und Umbrien
Hier stürzt alles ein. Und das, was nicht einstürzt, ist nicht stabil.“Mauro Falcucci, Bürgermeister von Castelsantangelo sul Nera, steht fassungslos vor den Trümmern seines einst malerischen Dorfes. „Es scheint dem Erdboden gleichgemacht.“Nicht weniger niedergeschlagen ist Amtskollege Marco Rinaldi in Ussita. „Es ist ein Leidensweg, es hört nie auf.“
Die Erde in Italien ist in Aufruhr, noch immer: Ein starkes Nachbeben hat die ohnehin verwüstete Region gestern Morgen erneut erschüttert. Wieder fielen Gebäude in sich zusammen. Vom „Monster in der Erde“sprechen die Menschen in dem gebeutelten Gebiet. Allein in den Marken sind inzwischen 25 000 obdachlos, in Umbrien mehr als 5000.
Tausende von ihnen sind an die Adria-Küste geflüchtet, wo sie in Hotels unterkamen. Von den malerischen, historischen Gebäuden blieben nur Trümmerberge, wie in Castelluccio di Norcia in Umbrien (gr. F.). Viele Orte der Region gleichen Geisterstädten, selbst Friedhöfe sind zerstört. Wie hier in Campi, wo jetzt die Särge unter freiem Himmel liegen (l.).
Die, die ihre Heimat nicht verlassen wollen, stehen vor Zelten, Notunterkünften, ihren Autos, in denen sie die Nächte verbringen. Viele sind verzweifelt. Alle übernächtigt. „Schlafen? Hier wackelt alles, wie willst du da schlafen?“, sagt Bürgermeister Rinaldi. Dazu die Kälte, in den Bergdörfern sinken die Temperaturen nachts unter null.
Das Beben vom Sonntag, das heftigste in Italien seit 36
Jahren, hatte viele der historischen Dörfer in Schutt und Asche gelegt und selbst in Rom Schäden angerichtet. Tote gab es nicht – auch weil viele Orte schon nach dem schweren Beben im August, bei dem 298 Menschen starben, geräumt worden waren.
Das „Herz Italiens“sei verwüstet, sagte Ministerpräsident Matteo Renzi, der den Obdachlosen schnelle Hilfe versprach. Und den kompletten Wiederaufbau.
„Was immer wegen des Erdbebens benötigt wird, werden wir auf den Tisch bringen.“Italien ist jedoch bereits hoch verschuldet und liegt mit der EU-Kommission wegen seiner Haushaltsplanung im Clinch. Darum will sich Renzi nicht scheren: Wenn Italien den Wiederaufbau wegen EU-Regeln nicht stemmen könne, „bedeutet das, dass wir alle den Verstand verloren haben“.