Hamburger Morgenpost

Aufgeschri­eben von Stefan Kruecken, Ankerherz

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Unter der Decke im rechten Raum der HaifischBa­r baumelt ein Kronleucht­er, den es hochprozen­tig nur einmal auf der Welt gibt: Er besteht aus Hunderten „Kümmerling“-Fläschen, kranzartig verklebt auf einem Steuerrad. Niemand weiß mehr genau, wer dieses Werk moderner Kunst schuf, doch die Legende spricht von drei Fernfahrer­n. Einer von ihnen war „Whisky-Rudi“, der so hieß, weil er keine Fanta trank, und die Trucker hatten eine Mission. Selbst als sie schon genug getankt hatten, um mit ihrem Blut einen Rasenmäher befeuern zu können, bewiesen sie eine ruhige Hand. „Sie sollen sogar aufrecht aus dem Laden gekommen sein“, erzählt René Schlufter (47), der Barkeeper. In den nächsten Wochen stehen der sturmerpro­bten Thekenbele­gschaft harte Nächte ins Haus: Weihnachts­feier, das Woodstock aller Bürofachan­gestellten. „Bei manchen geht ein Ventil auf, wenn sie durch die Tür kommen.“Vor allem bei Anzugträge­rn. „Es gibt Kameraden, die denken: ,Ich beehre den Laden, der sonst nicht mein Niveau ist, mit meiner Anwesenhei­t. Ist ja nur ’ne Pinte‘“, sagt René. Abfällige BeUm merkungen überhört er, doch das Handy-Verbot gilt für alle. Wer sich nicht daran hält, wird freundlich erinnert. Auf hoher See, vor Gericht und am Tresen der Haifisch-Bar sind wirklich alle gleich. Auch Damen-Abende geraten bisweilen außer Kontrolle. „Es fängt meist harmlos mit Weinschorl­e an. Es folgen Cocktails, viel Baileys, später Kurze, und dann ist alles außer Rand und Band. Einige Mädels ziehen blank. Schlachtru­f: ,Titten raus!‘“René geht dann gerne vor die Tür und wartet eine Zigaretten­länge ab, ob die Lage beruhigt. Zu den Feierbiest­ern, die im Hai einen besonderen Ruf genießen, gehören Österreich­er. „Sie trinken viel und ziehen gerne blank, wenn sie breit sind“, so René. „Dann stupsen sie sich mit ihren Wampen an.“Solche Szenen kennt man sonst nur aus dem Seelöwen-Gehege von Hagenbeck. Mühsame Gäste nennt René Schlufter „Patienten“. Deren Neigung, die Meinung des anderen nicht zu akzeptiere­n, steigt mit dem Bierpegel, erklärt er. „Manchmal denke ich“, sagt der Barmann, „das ist hier alles ein bisschen wie in einem Zoo.“O du fröhliche! sich

Hier erzählen wir jeden Sonnabend eine Geschichte aus der „Haifisch-Bar“. Haben Sie auch eine für uns? Melden Sie sich: haifischba­r@mopo.de oder haifischba­r@ankerherz.de

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