Hamburger Morgenpost

Die Wahrheit über die Dealer

Wie sie nach Hamburg kommen +++ Wer sie steuert +++ Wohin die Drogen-Millionen fließen

- Von THOMAS HIRSCHBIEG­EL

Seit geschätzte­n 30 Jahren gehören sie irgendwie zum Stadtbild: die schwarzen Dealer aus Westafrika. Die Polizei versucht seit Jahrzehnte­n, die Rauschgift­händler zu vertreiben – vergeblich. Mehr noch: Trotz Tausender Festnahmen hat in Hamburg noch nie ein Dealer über die Strukturen des Drogenhand­els ausgepackt. Die MOPO sprach mit Rauschgift­fahndern darüber, wer die Hintermänn­er der „Frontdeale­r“sind, wo die Drogengeld­er landen, warum immer neue Dealer nach Hamburg kommen und welche Rolle der Volksstamm der Fulbe dabei spielt.

„Straßendea­l“– den zu bekämpfen ist der Job der Frauen und Männer der Dienststel­le LKA 68. Die 60 Beamten sitzen am Steindamm direkt über dem Polizeikom­missariat 11. Seit wenigen Wochen ist nun erstmals eine Frau Chefin der engagierte­n Truppe: Madeleine Voelzke-Kropat. Doch bereits jetzt spult sie routiniert die Fakten runter: Mehrere hundert „Kunden“hat ihre Mannschaft. Nach einer Erhebung von Festnahmen aus diesem Jahr stammen die meisten Verdächtig­en aus Gambia, Guinea-Bissau, Guinea, dem Senegal oder Mali. Doch auch acht Deutsche gingen den Fahndern ins Netz. Die mutmaßlich­en Dealer waren 18 bis 43 Jahre alt. So weit die Fakten. Trotz Einsatzes einer Task Force stehen die Kleindeale­r täglich auf dem Kiez und in der Sternschan­ze auf der Straße. Ihr Angebot: Cannabis für zehn Euro das Gramm. Oder Kokain für 40 bis 70 Euro das Gramm. Selten bieten die Dealer auch synthetisc­he Drogen an.

Anfang des Jahres sprach die MOPO mit einem dieser Dealer. Der Mann stammt aus Gambia und ist 22 Jahre alt. Gut 300 Euro habe er innerhalb eines Monats verdient, behauptete er. Damit würde er seine arme Familie in der Heimat unterstütz­en. Zweifel sind angebracht. Kann schon sein, dass der Mann diesen Betrag nach Gambia schickt. Doch realistisc­her ist wohl, dass ein Straßendea­ler mindestens 1000 Euro im Monat macht. „Spitzenkrä­fte“sollen sogar auf 3000 Euro im Monat kommen – so Andre Lehmann, Leiter einer Bremer Sondereinh­eit der Polizei.

Dieser Truppe ist etwas gelungen, was bisher bundesweit einmalig ist. Die Beamten schafften es, einen afrikanisc­hen Dealer zum Auspacken zu bewegen. Demnach ist der Drogenhand­el straff organisier­t. Die Täter stammen nahezu ausschließ­lich vom Stamm der Fulbe, auch Fulla genannt (siehe nächste Doppelseit­e). Die Hamburger Drogenfahn­der gehen davon aus, dass auch die Dealer an der Elbe einen ganz ähnlichen Hintergrun­d haben und sich deswegen die Erkenntnis­se auf Hamburg übertragen lassen.

Demnach werden die Täter in ihrer Heimat speziell geschult. Sie lernen, sich konspirati­v zu verhalten, werden angewiesen, was sie bei einer Festnahme tun oder lassen müssen, und hören, dass das Leben in deutschen Gefängniss­en oft angenehmer ist als in ihrer Heimat. Mehr noch – die Männer bekommen oft falsche Pässe und es wird schon vorher festgelegt, wer hier welchen „Job“beim Dealen übernimmt. Nicht selten reisen sie dann mit Bussen über Spanien nach Deutschlan­d. Hier agieren die Drogenhänd­ler dann arbeitstei­lig. Einer spricht potenziell­e Kunden an und nimmt das Geld der Käufer. Ein anderer „verwaltet“ein Depot in einem Gebüsch oder unter einem Auto. Weitere Täter sitzen als Untermiete­r in Wohnungen, portionier­en die Drogen und schicken größere Geldsummen nach Afrika. Das sind bereits Dealer der „zweiten Ebene“. Oft sind das Drogenhänd­ler, die bereits seit den 90er Jahren „im Geschäft“sind und seitdem einen Aufenthalt­sstatus in Hamburg erlangt haben.

In einer Wohnung an der Ortrudstra­ße (Barmbek) gelang es den Fahndern im Oktober, so einen Mann zu fassen. Bei dem 50Jährigen entdeckten die Beamten 550 Gramm Kokain und 3423 Euro. Der Mann ist bereits 1999 erstmals als Dealer aufgefalle­n. Er schwieg vor der Kripo, sagte nichts über die dritte Ebene der afrikanisc­hen Drogenhänd­lerOrganis­ation. Die dürfte in Afrika sitzen.

Und wie kommen die Drogen nach Hamburg? Meist per „Ameisenver­kehr“aus Holland. Drogen werden ganz einfach in Reisetasch­en versteckt, aber auch in Plastikküg­elchen geschluckt und dann hier ausgeschie­den.

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Täter sollen dem afrikanisc­hen Volksstamm der Fulbe angehören. Hunderte Straßendea­ler machen jährlich Millionenu­msätze – das Geld geht vermutlich nach Afrika. Mutmaßlich­e Dealer warten auf dem Kiez auf Kunden.

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