Die Wahrheit über die Dealer
Wie sie nach Hamburg kommen +++ Wer sie steuert +++ Wohin die Drogen-Millionen fließen
Seit geschätzten 30 Jahren gehören sie irgendwie zum Stadtbild: die schwarzen Dealer aus Westafrika. Die Polizei versucht seit Jahrzehnten, die Rauschgifthändler zu vertreiben – vergeblich. Mehr noch: Trotz Tausender Festnahmen hat in Hamburg noch nie ein Dealer über die Strukturen des Drogenhandels ausgepackt. Die MOPO sprach mit Rauschgiftfahndern darüber, wer die Hintermänner der „Frontdealer“sind, wo die Drogengelder landen, warum immer neue Dealer nach Hamburg kommen und welche Rolle der Volksstamm der Fulbe dabei spielt.
„Straßendeal“– den zu bekämpfen ist der Job der Frauen und Männer der Dienststelle LKA 68. Die 60 Beamten sitzen am Steindamm direkt über dem Polizeikommissariat 11. Seit wenigen Wochen ist nun erstmals eine Frau Chefin der engagierten Truppe: Madeleine Voelzke-Kropat. Doch bereits jetzt spult sie routiniert die Fakten runter: Mehrere hundert „Kunden“hat ihre Mannschaft. Nach einer Erhebung von Festnahmen aus diesem Jahr stammen die meisten Verdächtigen aus Gambia, Guinea-Bissau, Guinea, dem Senegal oder Mali. Doch auch acht Deutsche gingen den Fahndern ins Netz. Die mutmaßlichen Dealer waren 18 bis 43 Jahre alt. So weit die Fakten. Trotz Einsatzes einer Task Force stehen die Kleindealer täglich auf dem Kiez und in der Sternschanze auf der Straße. Ihr Angebot: Cannabis für zehn Euro das Gramm. Oder Kokain für 40 bis 70 Euro das Gramm. Selten bieten die Dealer auch synthetische Drogen an.
Anfang des Jahres sprach die MOPO mit einem dieser Dealer. Der Mann stammt aus Gambia und ist 22 Jahre alt. Gut 300 Euro habe er innerhalb eines Monats verdient, behauptete er. Damit würde er seine arme Familie in der Heimat unterstützen. Zweifel sind angebracht. Kann schon sein, dass der Mann diesen Betrag nach Gambia schickt. Doch realistischer ist wohl, dass ein Straßendealer mindestens 1000 Euro im Monat macht. „Spitzenkräfte“sollen sogar auf 3000 Euro im Monat kommen – so Andre Lehmann, Leiter einer Bremer Sondereinheit der Polizei.
Dieser Truppe ist etwas gelungen, was bisher bundesweit einmalig ist. Die Beamten schafften es, einen afrikanischen Dealer zum Auspacken zu bewegen. Demnach ist der Drogenhandel straff organisiert. Die Täter stammen nahezu ausschließlich vom Stamm der Fulbe, auch Fulla genannt (siehe nächste Doppelseite). Die Hamburger Drogenfahnder gehen davon aus, dass auch die Dealer an der Elbe einen ganz ähnlichen Hintergrund haben und sich deswegen die Erkenntnisse auf Hamburg übertragen lassen.
Demnach werden die Täter in ihrer Heimat speziell geschult. Sie lernen, sich konspirativ zu verhalten, werden angewiesen, was sie bei einer Festnahme tun oder lassen müssen, und hören, dass das Leben in deutschen Gefängnissen oft angenehmer ist als in ihrer Heimat. Mehr noch – die Männer bekommen oft falsche Pässe und es wird schon vorher festgelegt, wer hier welchen „Job“beim Dealen übernimmt. Nicht selten reisen sie dann mit Bussen über Spanien nach Deutschland. Hier agieren die Drogenhändler dann arbeitsteilig. Einer spricht potenzielle Kunden an und nimmt das Geld der Käufer. Ein anderer „verwaltet“ein Depot in einem Gebüsch oder unter einem Auto. Weitere Täter sitzen als Untermieter in Wohnungen, portionieren die Drogen und schicken größere Geldsummen nach Afrika. Das sind bereits Dealer der „zweiten Ebene“. Oft sind das Drogenhändler, die bereits seit den 90er Jahren „im Geschäft“sind und seitdem einen Aufenthaltsstatus in Hamburg erlangt haben.
In einer Wohnung an der Ortrudstraße (Barmbek) gelang es den Fahndern im Oktober, so einen Mann zu fassen. Bei dem 50Jährigen entdeckten die Beamten 550 Gramm Kokain und 3423 Euro. Der Mann ist bereits 1999 erstmals als Dealer aufgefallen. Er schwieg vor der Kripo, sagte nichts über die dritte Ebene der afrikanischen DrogenhändlerOrganisation. Die dürfte in Afrika sitzen.
Und wie kommen die Drogen nach Hamburg? Meist per „Ameisenverkehr“aus Holland. Drogen werden ganz einfach in Reisetaschen versteckt, aber auch in Plastikkügelchen geschluckt und dann hier ausgeschieden.