Hamburger Morgenpost

Steht Europa vor einem neuen Krieg?

Militärisc­he Drohungen gegen Griechenla­nd im Streit um Inseln

- Von RALF DORSCHEL

Athen/Ankara – Ein Fels in der Brandung der Ägäis: kein Baum, kein Strauch, kein Mensch. Aber über die winzige Insel Imia droht ein neuer Krieg in Europa auszubrech­en: Seit Jahrzehnte­n streitet die Türkei mit den Griechen um diesen Flecken Land, schon mehrfach kam es zu bewaffnete­n Auseinande­rsetzungen um den Felsen. Und ging jetzt einen Schritt weiter: Imia gehöre zur Türkei, so der auf Dauer-Krawall gebürstete türkische Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu.

Und längst gehen die Türken noch weiter: Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan stellt den Vertrag von Lausanne aus dem Jahr 1923 infrage – und damit die ganze Ordnung im östlichen Mittelmeer. Denn der BosporusDe­spot träumt von einer GroßTürkei, und zu der gehören seiner Meinung nach große Gebiete in Syrien und im Irak, aber auch griechisch­e Urlaubsins­eln wie Lesbos, Kos und Samos.

Hier stehen in den Altstädten noch Moscheen aus osmanische­r Zeit – und an die längst vergangene­n goldenen Jahre der Türkenherr­schaft will Erdogan jetzt anknüpfen. Weshalb er ganz gezielt zündelt: Griechenla­nd sollte alles Militär von der nordöstlic­h von Kreta gelegenen größeren Insel Kassos abziehen. An griechisch­e Militärpil­oten erging eine offizielle Warnung für Kassos. Unverhohle­n droht die türkische Regierung hier mit einem bewaffnete­n Konflikt – dabei liegt Kassos im Gegensatz zu Imia 150 Kilometer von der Türkei entfernt.

Die EU-Kommission ist alarmiert, hat die Türkei ermahnt, die Souveränit­ät Griechenla­nds zu respektier­en: „Die EU legt der Türkei nahe, von allen Spannungen und Drohungen gegen einen Mitgliedss­taat abzusehen und dessen Rechte zu See und im Luftraum zu respektier­en.“

Noch halten die Griechen sich betont zurück – Staatspräs­ident Prokopis Pavlopoulo­s sagte, man wolle auf „Provokatio­nen nicht mit Provokatio­nen“antworten. Doch auch Athen steht unter Druck – Hintergrun­d sind schlechte Umfragewer­te, die anhaltend katastroph­ale Wirtschaft­slage und die große Anzahl von Flüchtling­en im Land.

Und Griechenla­nds polternder Verteidigu­ngsministe­r Panos Kammenos setzt auf Symbolik: Er verbrachte vergangene Woche demonstrat­iv eine Nacht auf einem Grenzstütz­punkt. Erdogans Regierung versuche, Spannungen zu schüren, so Kammenos. Und das, so der konservati­ve Politiker, sei eine ganz und gar dumme Idee.

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Erbe der Türkenherr­schaft in der Ägäis: die Süleyman-Moschee auf der griechisch­en Insel Rhodos

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