Hamburger Morgenpost

„Man muss Mut haben, zu nerven“

Interview Volker Beck über seine Niederlage, Streit mit Kretschman­n und Widerstand gegen rechts

- Das Interview führte RALF DORSCHEL

Oberhausen – Debakel für Volker Beck: Beim NRW-Parteitag in Oberhausen scheiterte der grüne Promi, wird nicht wieder in den Bundestag einziehen.

MOPO am Sonntag: Was ist da schiefgela­ufen? Volker Beck: Bei Wahlen kann man gewinnen oder verlieren. Ich habe nicht gewonnen. Das ist Demokratie. Sie haben in Ihrer Bewerbungs­rede gesagt: „Ich bin manchmal eine Nervensäge.“Ist noch Platz im Berliner Polit-Zirkus für Nervensäge­n? Wenn man was durchsetze­n will, muss man auch den Mut haben, zu nerven. Sonst wird man zu schnell scheitern. Wir brauchen in der aktuellen Situation sehr viel Rückgrat, um der Delegitimi­erung von Menschenwü­rde

aktiv entgegenzu­treten. Es hat sich eine Bewegung aufgemacht, die die Grundlagen unserer Freiheit und auch die emanzipato­rischen Erfolge der letzten Jahre wieder in Zweifel ziehen will. Und da werde ich mich weiter einmischen und kämpfen. Winfried Kretschman­n beklagte kürzlich, es gebe zu viel „Political Correctnes­s“bei den Grünen. Haben Sie sich da angesproch­en gefühlt? Der Begriff der „Political Correctnes­s“ist ein rechter Kampfbegri­ff, der behauptet, es gäbe Sprechverb­ote. Es gibt keine Sprechverb­ote – man muss sich ja nur mal umsehen, was auf Pegida-Demonstrat­ionen oder in den Kommentars­palten von Zeitungen alles gesagt wird. Aber man darf das dann eben auch kritisiere­n. Alltagsras­sismus, Homophobie oder Antisemiti­smus sind keine Kleinigkei­ten. Es geht um die Grundlagen unserer Freiheit. Und das wird angegriffe­n von einer rechten Ideologie der Ungleichwe­rtigkeit. Aber wenn Winfried Kretschman­n das äußert, kommt das ja nicht so sehr von rechts, sollte man meinen. Wenn er meint, man solle da mal fünfe gerade sein lassen, dann ist das der falsche Ansatz in der Auseinande­rsetzung mit den Rechten. Ich glaube nicht, dass man dergleiche­n auf die leichte Schulter nehmen darf. Da widersprec­he ich Winfried Kretschman­n eindeutig. Wir brauchen eine klare Sprache und wir müssen die Dinge beim Namen nennen. Wie geht es für Sie jetzt weiter? Ich bin jetzt noch zehn Monate im Bundestag. Da mache ich meinen Job weiter mit den Inhalten, für die ich stehe. Und dann werde ich mich in anderer Form wieder einmischen, aber da habe ich jetzt noch keinen Plan. Da lasse ich mir Zeit, das muss jetzt auch alles erst mal sacken. Was ist im Rückblick Ihr größter Erfolg in den 23 Jahren im Bundestag? Das war sicher der Durchbruch beim Lebenspart­nergesetz, also die Rechtlosig­keit schwuler und lesbischer Paare zu beenden. Aber wichtig war auch das Durchsetze­n der Renten für osteuropäi­sche Juden, die im KZ waren, und die Zwangsarbe­iterentsch­ädigung. Das sind wichtige Punkte, bei denen ich beitragen konnte, dass unser Land aufgeklärt­er, humaner und ein bisschen verantwort­ungsbewuss­ter mit unserer Geschichte wird.

„Ich werde mich weiter einmischen.“Volker Beck (Grüne)

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Kommt nicht wieder in den Bundestag: der Grüne Volker Beck

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