„Man muss Mut haben, zu nerven“
Interview Volker Beck über seine Niederlage, Streit mit Kretschmann und Widerstand gegen rechts
Oberhausen – Debakel für Volker Beck: Beim NRW-Parteitag in Oberhausen scheiterte der grüne Promi, wird nicht wieder in den Bundestag einziehen.
MOPO am Sonntag: Was ist da schiefgelaufen? Volker Beck: Bei Wahlen kann man gewinnen oder verlieren. Ich habe nicht gewonnen. Das ist Demokratie. Sie haben in Ihrer Bewerbungsrede gesagt: „Ich bin manchmal eine Nervensäge.“Ist noch Platz im Berliner Polit-Zirkus für Nervensägen? Wenn man was durchsetzen will, muss man auch den Mut haben, zu nerven. Sonst wird man zu schnell scheitern. Wir brauchen in der aktuellen Situation sehr viel Rückgrat, um der Delegitimierung von Menschenwürde
aktiv entgegenzutreten. Es hat sich eine Bewegung aufgemacht, die die Grundlagen unserer Freiheit und auch die emanzipatorischen Erfolge der letzten Jahre wieder in Zweifel ziehen will. Und da werde ich mich weiter einmischen und kämpfen. Winfried Kretschmann beklagte kürzlich, es gebe zu viel „Political Correctness“bei den Grünen. Haben Sie sich da angesprochen gefühlt? Der Begriff der „Political Correctness“ist ein rechter Kampfbegriff, der behauptet, es gäbe Sprechverbote. Es gibt keine Sprechverbote – man muss sich ja nur mal umsehen, was auf Pegida-Demonstrationen oder in den Kommentarspalten von Zeitungen alles gesagt wird. Aber man darf das dann eben auch kritisieren. Alltagsrassismus, Homophobie oder Antisemitismus sind keine Kleinigkeiten. Es geht um die Grundlagen unserer Freiheit. Und das wird angegriffen von einer rechten Ideologie der Ungleichwertigkeit. Aber wenn Winfried Kretschmann das äußert, kommt das ja nicht so sehr von rechts, sollte man meinen. Wenn er meint, man solle da mal fünfe gerade sein lassen, dann ist das der falsche Ansatz in der Auseinandersetzung mit den Rechten. Ich glaube nicht, dass man dergleichen auf die leichte Schulter nehmen darf. Da widerspreche ich Winfried Kretschmann eindeutig. Wir brauchen eine klare Sprache und wir müssen die Dinge beim Namen nennen. Wie geht es für Sie jetzt weiter? Ich bin jetzt noch zehn Monate im Bundestag. Da mache ich meinen Job weiter mit den Inhalten, für die ich stehe. Und dann werde ich mich in anderer Form wieder einmischen, aber da habe ich jetzt noch keinen Plan. Da lasse ich mir Zeit, das muss jetzt auch alles erst mal sacken. Was ist im Rückblick Ihr größter Erfolg in den 23 Jahren im Bundestag? Das war sicher der Durchbruch beim Lebenspartnergesetz, also die Rechtlosigkeit schwuler und lesbischer Paare zu beenden. Aber wichtig war auch das Durchsetzen der Renten für osteuropäische Juden, die im KZ waren, und die Zwangsarbeiterentschädigung. Das sind wichtige Punkte, bei denen ich beitragen konnte, dass unser Land aufgeklärter, humaner und ein bisschen verantwortungsbewusster mit unserer Geschichte wird.
„Ich werde mich weiter einmischen.“Volker Beck (Grüne)