Ein kleiner Tritt zurück
Trainer-Kritik in Richtung Ex-Sportchef Meggle: „Fehler bei Zusammenstellung der Mannschaft“ Wieder kein Tor, wieder kein Sieg – aber die Zuversicht scheint beim FC St. Pauli zurück. Die Konkurrenz eilt unterdessen immer weiter davon
Die Entscheidung war eine mit Tragweite gewesen, gefühlt zudem aus der kalten Hose. Dafür ist es beim FC St. Pauli seit der Freistellung von Sportchef Thomas Meggle am 1. November sehr, sehr ruhig um diese Thematik geworden – bis am Freitagabend erstmals Kritik an der Arbeit des 41Jährigen formuliert wurde. Eher beiläufig und ohne Namensnennung, aber durchaus mit Gewicht. Es war nur ein Halbsatz, doch der blieb hängen.
Vor dem Spiel gegen den 1. FC Kaiserslautern war Ewald Lienen bei Bezahlsender Sky auf die prekäre Situation angesprochen und nach den Gründen gefragt worden. Die Fehler, so antwortete der Trainer sinngemäß, seien „schon vor der Saison passiert“, nämlich unter anderem „in der Zusammenstellung der Mannschaft“. Eben jene ist bekanntlich erste Meßlatte für einen Sportchef, und von außen hatte es diesbezüglich auch bereits Kritik an Meggle gegeben. Am Freitag wurde die Geschichte nun erstmals von einem direkt Betroffenen benannt und durch die Einschätzung einiger Profis untermauert, die den bärenstarken Richard Neudecker im zentralen Mittelfeld als den Spielertypen bezeichneten, der dem Team bislang so sehr gefehlt hatte. Tatsächlich wurde jedem durch die Darbietung des 20-jährigen Vollblut-Fußballers, der lange verletzt gefehlt hatte, vor Augen geführt, welch kreatives Loch bisher in der Mannschaft geherrscht hatte.
Am Morgen danach strahlte die Sonne über dem Trainingsgelände an der Kollaustraße. Das passte. Die Leistung vom Spiel gegen den 1. FC Kaiserslautern hatte die Mienen aufgehellt bei den Protagonisten des FC St. Pauli, die Zuversicht scheint zurück – nach einem torlosen Unentschieden! Und manch einer kommt um die Einschätzung nicht herum, dass die 90 Minuten vom Freitagabend das Unglücklichste waren, was dem Kiezklub passieren konnte.
Natürlich war die Wahrnehmung des Trainers nachvollziehbar und richtig. „Mit dem Auftritt kann man mehr als zufrieden sein, die Mannschaft hat alles investiert“, hatte Ewald Lienen festgestellt. „Auch wenn es weh tut, das Spiel nicht gewonnen zu haben.“Womit der springende Punkt bereits angerissen wäre. „Ganz viel Positives“, so Sören Gonther, nehme man aus der Partie mit – nur eben zwei Zähler zu wenig. Das, da war sich Aziz Bouhaddouz sicher, werde sich alsbald ändern: „Wenn wir so weitermachen, werden sich irgendwann die positiven Ergebnisse einstellen.“Und Lasse Sobiech sagte voraus, dass dem Kiezklub „irgendwann auch mal wieder ein Tor gelingen wird“. Nur: „Irgendwann“ist es zu spät!
Denn während sich St. Pauli vergleichsweise an Kleinigkeiten hochzieht und von Woche zu Woche hangelt, eilt die Konkurrenz davon. Das „winzig kleine Zeichen“, das Lienen ausgemacht hatte, wird mit jedem verstreichenden Spieltag kleiner und kleiner. Sollten Aue und Bielefeld heute gewinnen, wäre das rettende Ufer satte sieben Punkte weg! Auch weil sich die nicht planbaren Bestandteile des Fußballs gegen die Hamburger verschworen haben. Dass es bislang am notwendigen Quäntchen Glück mangelt, verglich Lienen mit der Führung eines Engagement-Kontos. „Inzwischen haben wir immerhin so viel einbezahlt, dass mal ein Gegner einen Elfmeter vorbeischießt“, sagte er. Für ein eigenes Tor war es nach Latten- und Pfostentreffer (Sobiech, Bouhaddouz) aber offenbar „noch nicht genug“.
Nun folgt der Faktor Glück selten einer Logik. Es ist nicht wirklich erklärbar, dass zum Beispiel der nächste Gegner Greuther Fürth nach einer langen Talfahrt Trainer Stefan Ruthenbeck feuert – und die nächsten beiden Spiele prompt durch ein eigenes Tor in der Nachspielzeit (Bielefeld) und einen in der 90. Minute gehaltenen Elfmeter (KSC) mit 2:1 gewinnt. Ewald Lienen wird am nächsten Sonntag bei den Franken ein weiteres Mal versuchen dürfen, das Glück zu erarbeiten. Die Zeit arbeitet längst gegen ihn.