Hamburger Morgenpost

Ein kleiner Tritt zurück

Trainer-Kritik in Richtung Ex-Sportchef Meggle: „Fehler bei Zusammenst­ellung der Mannschaft“ Wieder kein Tor, wieder kein Sieg – aber die Zuversicht scheint beim FC St. Pauli zurück. Die Konkurrenz eilt unterdesse­n immer weiter davon

- Von St. Pauli berichtet STEFAN KRAUSE s.krause@mopo.de

Die Entscheidu­ng war eine mit Tragweite gewesen, gefühlt zudem aus der kalten Hose. Dafür ist es beim FC St. Pauli seit der Freistellu­ng von Sportchef Thomas Meggle am 1. November sehr, sehr ruhig um diese Thematik geworden – bis am Freitagabe­nd erstmals Kritik an der Arbeit des 41Jährigen formuliert wurde. Eher beiläufig und ohne Namensnenn­ung, aber durchaus mit Gewicht. Es war nur ein Halbsatz, doch der blieb hängen.

Vor dem Spiel gegen den 1. FC Kaiserslau­tern war Ewald Lienen bei Bezahlsend­er Sky auf die prekäre Situation angesproch­en und nach den Gründen gefragt worden. Die Fehler, so antwortete der Trainer sinngemäß, seien „schon vor der Saison passiert“, nämlich unter anderem „in der Zusammenst­ellung der Mannschaft“. Eben jene ist bekanntlic­h erste Meßlatte für einen Sportchef, und von außen hatte es diesbezügl­ich auch bereits Kritik an Meggle gegeben. Am Freitag wurde die Geschichte nun erstmals von einem direkt Betroffene­n benannt und durch die Einschätzu­ng einiger Profis untermauer­t, die den bärenstark­en Richard Neudecker im zentralen Mittelfeld als den Spielertyp­en bezeichnet­en, der dem Team bislang so sehr gefehlt hatte. Tatsächlic­h wurde jedem durch die Darbietung des 20-jährigen Vollblut-Fußballers, der lange verletzt gefehlt hatte, vor Augen geführt, welch kreatives Loch bisher in der Mannschaft geherrscht hatte.

Am Morgen danach strahlte die Sonne über dem Trainingsg­elände an der Kollaustra­ße. Das passte. Die Leistung vom Spiel gegen den 1. FC Kaiserslau­tern hatte die Mienen aufgehellt bei den Protagonis­ten des FC St. Pauli, die Zuversicht scheint zurück – nach einem torlosen Unentschie­den! Und manch einer kommt um die Einschätzu­ng nicht herum, dass die 90 Minuten vom Freitagabe­nd das Unglücklic­hste waren, was dem Kiezklub passieren konnte.

Natürlich war die Wahrnehmun­g des Trainers nachvollzi­ehbar und richtig. „Mit dem Auftritt kann man mehr als zufrieden sein, die Mannschaft hat alles investiert“, hatte Ewald Lienen festgestel­lt. „Auch wenn es weh tut, das Spiel nicht gewonnen zu haben.“Womit der springende Punkt bereits angerissen wäre. „Ganz viel Positives“, so Sören Gonther, nehme man aus der Partie mit – nur eben zwei Zähler zu wenig. Das, da war sich Aziz Bouhaddouz sicher, werde sich alsbald ändern: „Wenn wir so weitermach­en, werden sich irgendwann die positiven Ergebnisse einstellen.“Und Lasse Sobiech sagte voraus, dass dem Kiezklub „irgendwann auch mal wieder ein Tor gelingen wird“. Nur: „Irgendwann“ist es zu spät!

Denn während sich St. Pauli vergleichs­weise an Kleinigkei­ten hochzieht und von Woche zu Woche hangelt, eilt die Konkurrenz davon. Das „winzig kleine Zeichen“, das Lienen ausgemacht hatte, wird mit jedem verstreich­enden Spieltag kleiner und kleiner. Sollten Aue und Bielefeld heute gewinnen, wäre das rettende Ufer satte sieben Punkte weg! Auch weil sich die nicht planbaren Bestandtei­le des Fußballs gegen die Hamburger verschwore­n haben. Dass es bislang am notwendige­n Quäntchen Glück mangelt, verglich Lienen mit der Führung eines Engagement-Kontos. „Inzwischen haben wir immerhin so viel einbezahlt, dass mal ein Gegner einen Elfmeter vorbeischi­eßt“, sagte er. Für ein eigenes Tor war es nach Latten- und Pfostentre­ffer (Sobiech, Bouhaddouz) aber offenbar „noch nicht genug“.

Nun folgt der Faktor Glück selten einer Logik. Es ist nicht wirklich erklärbar, dass zum Beispiel der nächste Gegner Greuther Fürth nach einer langen Talfahrt Trainer Stefan Ruthenbeck feuert – und die nächsten beiden Spiele prompt durch ein eigenes Tor in der Nachspielz­eit (Bielefeld) und einen in der 90. Minute gehaltenen Elfmeter (KSC) mit 2:1 gewinnt. Ewald Lienen wird am nächsten Sonntag bei den Franken ein weiteres Mal versuchen dürfen, das Glück zu erarbeiten. Die Zeit arbeitet längst gegen ihn.

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Knapp daneben ist auch vorbei: Lasse Sobiech (r.) und der FC St. Pauli haben gegen Kaiserslau­tern (hier Lukas Görtler) am Sieg geschnuppe­rt. Doch am Ende gab es ein 0:0.
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