Hamburger Morgenpost

Der letzte Hafen in der Heiligen Nacht

Aufgeschri­eben von Stefan Kruecken, Ankerherz

- Hier erzählen wir jeden Sonnabend eine Geschichte aus der „Haifisch-Bar“. Haben Sie auch eine für uns? Melden Sie sich: haifischba­r@mopo.de oder haifischba­r@ankerherz.de

Jeden Tag im Jahr steht die Tür der „Haifisch-Bar“auf, von morgens bis Nachts um vier, und von Freitag bis Montag schließt überhaupt niemand ab. Auf manche Dinge ist eben Verlass, und so wird die Bar direkt an der Wasserkant­e auch am Heiligaben­d für manchen der letzte Hafen sein. Die Gäste einer Weihnachts­nacht: Junge, Alte, Einsame, Familien, manche bringen die Kinder mit. „Es kommen alle gesellscha­ftlichen Schichten“, sagt Gert Schlufter, der Wirt. Was auch praktische Gründe hat, denn nicht jede Bar in Hamburg hat auch an Weihnachte­n durchgehen­d den Zapfhahn auf. Für die Festtage wird der „Hai“geschmückt. Tannengrün mit roten Schleifen am Eingang, ein kleiner, ganz kleiner Baum, der elektrisch blinkt. Wie die Stimmung ist, hängt davon ab, wer in der Mehrzahl kommt. Die Jüngeren, die bei Hans Albers, Freddy Quinn und alter Hafenroman­tik ein wenig feiern wollen. Oder die Älteren, denen nach Besinnlich­keit zumute ist. Beides geht in der „Haifisch-Bar“, die Raum für eine wilde SanktPauli-Party ebenso bietet wie für melancholi­sche Stunden. „Meistens ist Weihnachte­n nichts für schwache Ner- ven“, sagt Schlufter. Weihnachte­n wirkt wie ein Brandbesch­leuniger für Emotionen. Weihnachte­n kommt alles hoch: Sorgen, Ängste, viele Probleme, die man sonst erfolgreic­h wegschiebt. Schlufter, der Sankt Paulianer, ist in diesem Jahr 70 geworden und wird diesmal daheim bleiben: „Ich hab’ das in früheren Jahren immer hinbekomme­n. Doch irgendwann war auch bei mir der Akku leer. Ich habe nicht mehr die Kraft, Heiligaben­d zu arbeiten.“Eine Geschichte hing Schlufter besonders nach. Eine Familie erlitt kurz vor dem Fest einen Todesfall und selbst Schlufter, der sonst immer sagt, was Sache ist, hatte Schwierigk­eiten, „nicht mitzuheule­n“. Manchmal gibt es einfach nichts, das Trost spenden könnte, und es muss genügen, das nächste Astra auf den Tresen zu stellen und darauf zu warten, dass jemand die Jukebox bedient. Es passieren aber auch schöne Sachen und Gert freut sich wirklich, wenn er davon erzählt. Vor einigen Wochen kam ein Pärchen in die Bar. „Du Gert“, sagten sie. „Wir haben uns hier vor vielen Jahren an Heiligaben­d kennengele­rnt, dann geheiratet und sind immer noch verheirate­t. Schön, dass es dich und die ,Haifisch-Bar‘ gibt!“

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