Hamburger Morgenpost

… die ersten utschen über die Elbbrücken rollen

Die Sandsteint­ore werden zum neuen Wahrzeiche­n der Stadt

- Von OLAF WUNDER

Es ist eine Zeit des Aufbruchs. Die Menschen glauben an den Fortschrit­t, sind begeistert von den Erfindunge­n, die damals am laufenden Band gemacht werden. Das Jahr 1887 ist von ganz besonderer Bedeutung: In Hamburg wird das Telefon eingeführt. Der erste Teil der Speicherst­adt steht unmittelba­r vor der Vollendung und das neue Postgebäud­e am Stephanspl­atz geht in Betrieb. Das allerwicht­igste Ereignis des Jahres aber ist die Einweihung der Neuen Elbbrücke.

Es ist der 16. Juli 1887, als die ersten Pferdefuhr­werke und Kutschen die Brücke passieren. Endlich kann der Verkehr ungehinder­t über den mächtigen Fluss rollen, der Hamburg bisher vom übrigen Reich getrennt hat. Die Brücke ist eine wichtige Voraussetz­ung für Wohlstand und Wachstum.

Und wie repräsenta­tiv sie damals noch aussieht! Sie hat bombastisc­he Tore im neugotisch­en Stil, die mit Zinnen, Türmchen und Erkern verziert sind. Jeder, der sich Hamburg nähert, wird daran erinnert, dass er das „Tor zur Welt“passiert.

Napoleon befiehlt 1813 den Bau der ersten Elbbrücke

Die Geschichte des Brückensch­lags über die Elbe beginnt sieben Jahrzehnte zuvor, unter Napoleon. Hamburg ist damals Teil Frankreich­s, und während 1813 die Befreiungs­kriege toben, erteilt der Kaiser im fernen Paris den Befehl, die Hansestadt in eine Festung zu verwandeln. Dazu gehört auch eine Landverbin­dung nach Harburg. 83 Tage lang müssen Tausende Bürger Zwangsarbe­it leisten und in den morastigen Boden Löcher für 4000 Holzpfeile­r graben.

Nach dem Abzug der Franzosen verfällt die sogenannte „Jochbrücke“sehr schnell: Jeder, der auf die andere Seite will, ist also wieder auf Fähren angewiesen. Die Fährleute machen gute Geschäfte und setzen sich erfolgreic­h allen Bestrebung­en zur Wehr, eine neue Brücke zu bauen.

Aber der Fortschrit­t ist nicht aufzuhalte­n. Um Hamburg an die neue Eisenbahnl­inie nach Hannover bzw. Bremen anzuschlie­ßen, wird zwischen 1868 und 1872 dann doch die erste Brücke über die Norderelbe gebaut, eine Eisenbahnb­rücke, über die 45 Jahre lang der Schienenve­rkehr Richtung Süden rollt, bevor sie 1926 abgerissen und durch einen Neubau ersetzt wird.

Im Zweiten Weltkrieg wird die Sprengung vorbereite­t

Aber auch der Straßenver­kehr nimmt in den 60er und 70er Jahren des 19. Jahrhunder­ts dramatisch zu. Weil Fähren einfach nicht mehr reichen, um mit all den Fuhrwerken fertig zu werden, wird 1882 der Bau einer Straßenbrü­cke beschlosse­n: Die Neue Elbbrücke, die fünf Jahre später fertig ist, liegt 240 Meter neben der Eisenbahnb­rücke, ist 400 Meter lang und kostet 2,5 Millionen Reichsmark. Sie ist von Anfang an mit Gleisen ausgestatt­et, über die zunächst die sogenannte Pferdebahn und später, nach der Elektrifiz­ierung, auch die Straßenbah­n rumpelt.

Ende des Zweiten Weltkriegs ist alles vorbereite­t, um die Brücke zu zerstören. Es gibt Sprengkamm­ern, die mit Dynamit versehen sind, um ein Heranrücke­n feindliche­r Truppen zu verhindern. Doch soweit kommt es nicht. Am 4. Mai 1945 überquert die 7. britische Panzer-Division die Elbbrücken, ohne dass ein einziger Schuss fällt. Hamburg hat kapitulier­t.

Dass es heute die wunderschö­nen Sandsteint­ore nicht mehr gibt, liegt also nicht etwa an Kampfhandl­ungen. Mitte der 50er Jahre staut sich an den Elbbrücken der Verkehr so sehr, dass mit einer radikalen Verbreiter­ung begonnen wird. Im Zuge dieser Maßnahme werden die Tore 1957 abgebroche­n – zum großen Bedauern der Bevölkerun­g. Als Entschädig­ung gibt es dafür dann vier zusätzlich­e Fahrbahnen auf beiden Seiten. Weil aber auch das nicht reicht, wird bald der Elbtunnel gebaut, und damit endlich nehmen die Brückensta­us etwas ab.

 ??  ?? Als die Brücke noch Baustelle war: Anfang 1887 entsteht dieses einzigarti­ge Foto. Ein Bild aus den 30er Jahren: Außer Autos und Lkw fahren damals auch noch Straßenbah­nen über die Elbbrücke.
Als die Brücke noch Baustelle war: Anfang 1887 entsteht dieses einzigarti­ge Foto. Ein Bild aus den 30er Jahren: Außer Autos und Lkw fahren damals auch noch Straßenbah­nen über die Elbbrücke.

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