Hamburger Morgenpost

„Bei Bayern herrscht bedingungs­lose Liebe“

Der Trainer des Weihnachts­meisters spricht über Druck, seinen Vertrag, Saisonziel­e und Systeme

- Das Interview führte JOSÉ CARLOS MENZEL LOPEZ

Es war ein wechselhaf­ter Start. Carlo Ancelotti stand als Bayern-Trainer lange in der Kritik. Nach dem beeindruck­enden 3:0 gegen Leipzig ist diese allerdings verstummt. Im MOPO-Interview spricht der Coach über seine ersten Monate, seine Ziele und geheime Botschafte­n des Vorstands-Bosses.

MOPO: Ihr erstes halbes Jahr beim FC Bayern ist vorbei. Sind Sie zufrieden? Carlo Ancelotti:

Aber ja. Ich fühle mich sehr wohl. Der FC Bayern ist vorbildlic­h organisier­t, unsere Mannschaft hat Qualität und die Stadt ist wahnsinnig schön. Ich kann mich nicht beklagen. Obwohl: Wir können uns noch ein wenig verbessern, aber dafür ist noch Zeit.

So? Ende Januar geht es bereits in die Rückrunde...

Die entscheide­nde Phase steht aber erst im Frühjahr an. Eigentlich sogar schon im Februar mit dem Start der K.o.-Phase in der Champions League. Bis dahin haben wir aber noch ein paar Wochen Ruhe. Wir werden uns bestreits möglich auf das Saisonfina­le vorbereite­n. Wären wir belieben, in der Hinrunde auf Hochtouren gelaufen, hätten wir das im Frühjahr bereut.

Spüren Sie den Druck in München?

Man spürt ihn bei jedem großen Klub. In München herrscht dennoch ein überaus angenehmes Klima. Der FC Bayern verkörpert Stabilität, auf all seinen Ebenen.

Sie klingen so, als würden Sie Ihren bis 2019 laufenden Vertrag am liebsten schon verlängern.

Bei den großen Klubs ist es stets komplizier­t, über einen langen Zeitraum Trainer zu sein. Die Erwartungs­haltung ist enorm, die Ergebnisse müssen stimmen, das macht es nicht leicht. Bei den meisten Klubs sind zwei, drei Jahre schon eine lange Zeit.

Was beeindruck­t Sie bei den Bayern?

Die Fans. Sie lieben diesen Klub. Nicht, dass andere Fans ihre Mannschaft nicht aber hier ist es anders. Viel Leidendavo­r. schaft führt oft zu viel Kritik, bei Bayern herrscht aber bedingungs­lose Liebe. Als Uli Hoeneß zum Präsidente­n gewählt wurde, ist mir das aufgefalle­n. Das imponiert mir.

Wie viel Guardiola und wie viel Ancelotti steckt im FC Bayern?

Von beiden etwas. Unter Pep hat die Mannschaft sehr erfolgreic­h gespielt. In meinen Augen ist es ein großer Erfolg, dreimal in Folge das Halbfinale der Champions League zu erreichen. So lautet auch mein Ziel, denn ob man dann auch das Endspiel erreicht, hängt von vielen kleinen Details ab, die man nicht immer kontrollie­ren kann. Wir wollen die Bundesliga gewinnen und in der Champions League so weit wie möglich kommen. Was dann auf der Zielgerade­n geschieht, wird sich zeigen.

Robert Lewandowsk­i hat dem Lockruf zahlreiche­r Klubs widerstand­en und in München verlängert. Beruhigt?

Beruhigt war ich auch schon So wie ich wusste, was die Klubseite wollte, wusste ich natürlich auch, was der Spieler wollte.

Gilt das auch bei Philipp Lahm?

Das ist eine sehr persönlich­e Entscheidu­ng. Er spielt gut, ist fürs Team sehr wichtig und hat Vertrag bis 2018. Ich denke, dass die Fans ihn gerne eine weitere Saison auf dem Rasen sehen wollen.

Sieht Uli Hoeneß ähnlich. Haben Sie den Präsidente­n bereits näher kennengele­rnt?

Wir hatten schon die Gelegenhei­t, uns bei einigen Abendessen auszutausc­hen. Er ist sehr herzlich zu mir und ich bin mir sicher, dass Hoeneß als Präsident dem ganzen Klub helfen wird.

Weshalb?

Weil jeder ihn mag. Und weil er wie Karl-Heinz Rummenigge ein Mann vom Fach ist. Der FC Bayern ist nicht irkonzern. gendein Weltkonzer­n, sondern vor allem ein FußballDas­s er von Menschen geführt wird, die wissen, wie es in einer Kabine vor sich geht, ist von großer Bedeutung.

Und beide wissen auch, wo der Unterschie­d zwischen einem 43-3 und einem 4-2-3-1 ist.

Genau. Und dass wir mit unserer Fülle an Spielern viele verschiede­ne Systeme spielen können. Das System ist nicht der entscheide­nde Faktor. Entscheide­nd ist, wie wir spielen wollen, ob wir vertikal oder ballbesitz­orientiert agieren wollen. Entscheide­n wir uns in einem Spiel für letztere Variante, ist ein zusätzlich­er Mittelfeld­spieler natürlich von Vorteil. All das wissen die Chefs. Und sie machen unsere Spieler besser.

„Wir können uns verbessern, aber dafür ist noch Zeit.“ „Uli Hoeneß wird als Präsident dem ganzen Klub helfen.“

So?

Neulich meinte Rummenigge zu Lewandowsk­i, dass er zwei Treffer erzielen würde. Und er erzielte zwei Treffer. Ich habe ihn gebeten, ab sofort öfter mit Lewandowsk­i zu reden. Schadet bestimmt nicht.

 ??  ?? Ordentlich­e Bilanz: Aus seinen ersten 16 Bundesliga-Spielen holte Carlo Ancelotti 39 Punkte.
Ordentlich­e Bilanz: Aus seinen ersten 16 Bundesliga-Spielen holte Carlo Ancelotti 39 Punkte.
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