Hamburger Morgenpost

Feindbild Katze

Geliebt, gehasst, gefürchtet: Kein anderes Haustier löst so gegensätzl­iche Gefühle aus

-

1 Mörderisch­e Miezen: Im Gegensatz zum Hund gelten Katzen nur als „halb domestizie­rt“. Vor rund 5000 Jahren sollen in China die ersten Katzen bei Menschen gelebt haben. Der Deal: Die Katze hält die Vorräte von Mäusen frei, der Mensch spendiert dafür Extra-Futter. Heute zeigt auch noch die zahmste Sofakatze den Jagdtrieb ihrer Vorfahren – was ihrem Ruf nicht guttut. Ganze Vogelpopul­ationen werden von den rund 11,5 Millionen deutschen Hauskatzen ausgerotte­t, behaupten Gegner – und fordern eine Katzensteu­er als Ausgleich für den Öko-Frevel. 2 Ruf nach Kastration: Dem hält der Nabu entgegen, dass Hauskatzen mit Freigang in Siedlungsg­ebieten tatsächlic­h einzelne Singvogel-Population­en reduzieren können, die viel größere Gefahr aber von verwildert­en Katzen ausgehe. Die Lösung sei keine Steuer, sondern konsequent­e Kastration­sprogramme. Laut Hamburger Tierschutz­verein schlagen sich 20000 Streuner in der Stadt durch. Wie stark deren Einf uss auf die heimische Vogelwelt ist, bleibt umstritten. Katzenfors­cher Dennis C. Turner (siehe Interview rechts): „Wir wissen viel zu wenig. Die meisten Studien wurden nur sehr lokal durchgefüh­rt und deren Ergebnis dann auf das gesamte Land hochgerech­net. Doch sind die Ergebnisse aus Vororten wirk- lich repräsenta­tiv und bedrohen Katzen die Vogelbestä­nde auf kontinenta­ler Ebene?“

3 Klima-Sünder: Katzenpföt­chen verursache­n einen großen ökologisch­en Fußabdruck: Für die Produktion von Katzenfutt­er und Verpackung fällt pro Jahr rund eine Tonne CO2 an. Die Entsorgung von Dosen und Streu belastet das Klima mit weiteren 1250 Kilo Kohlenstof­fdioxid. Das haben die neuseeländ­ischen Autoren Brenda und Robert Vale veröffentl­icht. Nach ihrer Rechnung ist eine Katze ungefähr so umweltbela­stend wie ein VW Golf. 4 Frei zum Abschuss: Katzen, die sich weiter als 200 Meter vom nächsten Haus entfernt auf alten, dürfen von Jägern erlegt werden, weil sie nach dem Jagdgesetz als „Wilderer“gelten. In Hamburg wurden 2015 laut Jagdberich­t 33 Katzen auf landwirtsc­haftlichen Flächen erschossen. Andere Bundesländ­er, etwa Baden-Württember­g und Nordrhein-Westfalen, verbieten Jägern das Katzentöte­n. 5 Große Emotionen: Schon im alten Ägypten war das Verhältnis Katze-Mensch hochemotio­nal. Wer außerhalb einer Tempelanla­ge einer Katze Leid zufügte, wurde hart bestraft. Anderersei­ts unterhielt­en Priester Katzenzuch­ten und verkauften Jungkatzen an Gläubige, die sie dann der Katzengött­in Bastet opferten.

6 112 im Notfall: Einen Baum hochzuklet­tern, das schafft so ziemlich jede Katze – aber runter? Schwierig. Denn: Anders als ein Eichhörnch­en kann eine Katze nicht kopfüber den Stamm runterkrax­eln. Sie muss sich rückwärts runtertast­en, die Krallen wie Steigbügel einsetzen. Wenn sie das von Mama nicht gelernt hat, muss die Feuerwehr kommen. In Hamburg gilt eine Tierrettun­g als Notfall und wird nicht in Rechnung gestellt.

7 Dickes Ding: Katze zu dick, jetzt bleibt der Napf drei Tage leer? Bloß nicht. Als Erbe der Wildkatze (zehn Mäuse am Tag) ist die Verdauung darauf programmie­rt, mehrere kleine Mahlzeiten täglich zu verarbeite­n. Nulldiät kann lebensgefä­hrlich werden.

8 Fette Beute: Katzen spielen mit ihrer Beute, bevor sie sie töten, was viele als Zeichen ihres perfiden Charakters werten. Dieses Verhalten ist nur bei gut genährten Hauskatzen zu beobachten. Dass sie Maus und Co. ihrem Halter „schenken“, wird als Hinweis gewertet, dass sie ihrem Menschen, wie ihren Jungen, das Jagen beibringen wollen.

9 Geschmacks­sache: Katzen sind zwar süß, können aber „süß“nicht schmecken. Ihnen fehlt das Gen für die Geschmacks­knospen. Ob Katzen zu Fleischfre­ssern wurden, weil sie die Süße von Früchten nicht schmeckten, oder ob sie die Geschmacks­knospen verloren haben, weil sie eh immer nur Fleisch aßen, ist noch nicht erforscht.

10 König der Tiere: Wissenscha­ftler der Uni Edinburgh haben verschiede­ne Katzenarte­n „Persönlich­keitstests“unterzogen: Offenheit gegenüber ungewohnte­n Situatione­n, Umgang mit Stress, Verträglic­hkeit in Gruppen. Ergebnis: Hauskatzen sind von ihrer Persönlich­keit den Löwen am ähnlichste­n, besonders in den Bereichen Dominanz und Impulsivit­ät. Von wegen Stubentige­r. Wir leben mit kleinen Königen!

 ??  ?? Zum Gähnen? Der Mensch ist vielleicht manchmal langweilig für die Katze. Umgekehrt ist das eigentlich nie der Fall. Katzenkind­er müssen viel von Mama lernen. Zum Beispiel, wie man ohne Feuerwehr vom Baum runterkomm­t.
Zum Gähnen? Der Mensch ist vielleicht manchmal langweilig für die Katze. Umgekehrt ist das eigentlich nie der Fall. Katzenkind­er müssen viel von Mama lernen. Zum Beispiel, wie man ohne Feuerwehr vom Baum runterkomm­t.
 ??  ??
 ??  ?? Der Katze das Jagen abgewöhnen? Vielleicht mit viel Futter? Vergessen Sie’s. Katzen sind „halb domestizie­rt“. Sonst wären es ja Hunde.
Der Katze das Jagen abgewöhnen? Vielleicht mit viel Futter? Vergessen Sie’s. Katzen sind „halb domestizie­rt“. Sonst wären es ja Hunde.

Newspapers in German

Newspapers from Germany