Die Grande Dame der MOPO wäre morgen 100 Jahre alt geworden Der MOPO Jahre
Erika Krauß hatte sie alle vor der Kamera: Politiker, Stars, ganz normale Hamburger
Sie war die dienstälteste Fotograf n der Welt. Mehr als 60 Jahre lang, also bis ins hohe Alter, war sie die Chronistin unserer Stadt, die rasende Pressefotograf n, die immer auf der Jagd war nach dem noch besseren Bild. Einmal nahm Gustaf Gründgens, der legendäre Mephisto-Darsteller und Schauspielhaus-Intendant, die Fotograf n beiseite und ermahnte sie grinsend: „Langsam, Erika. In der Eile steckt der Teufel ...“
Erika Krauß, die morgen 100 Jahre alt geworden wäre, war das Urgestein der 1949 gegründeten Hamburger Morgenpost. Fast von Anfang an gehörte sie zum Team der Redaktion. Und sie hat sie alle vor der Linse gehabt, die Berühmten, Schönen und Mächtigen: ob Elton John oder Nikita Chruschtschow, ob Charles de Gaulle oder Romy Schneider, ob Heinz Erhardt oder Queen Elizabeth. In den Zigtausenden von Fotos, die noch heute im Archiv unserer Zeitung auf ewahrt werden, lebt die 2013 verstorbene „Grande Dame der MOPO“weiter.
Schon von Weitem war Erika Krauß zu erkennen: an ihrem Hut und ihrer meist eigenwilligen schwarzen Kleidung. Sie war alles andere als Durchschnitt. Wer sie kannte, der wusste, dass sie laut werden konnte, wenn ihr was nicht passte. So hat es auch der verstorbene MOPO-Chefredakteur Wolf Heckmann erlebt. Er nannte sie mal „ein zierliches Persönchen von schrecklichem Durchsetzungsvermögen“. „Unsere Erika“, so „Hecki“, „schaffte es, Hamburgs SuperStuntman Arnim Dahl ein zweites Mal in die Takelage eines Seglers zu jagen, weil er für ihren Geschmack beim ersten Mal nicht foogen genug Kopf und Hinern riskiert hatte.“
Die Tochter eines Reichsbahnbeamten kam 1917 in Karski in Posen (heute Poen) zur Welt. Sie wuchs in Berlin auf, besuchte die Höhere Handelsschule, doch stillzusitzen war nichts für sie. Sie träume vom Film und erfüllte sich diesen Traum. Sie wurde Kamerafrau, Cutterin und Regisseurin – zu einer Zeit, als es Frauen in diesem Beruf noch gar nicht gab.
Im „Dritten Reich“war sie Assistentin des berühmten Kameramanns Andor von Barsy und wirkte bei großen Spielfilmproduktionen mit. Sie lernte den berüchtigten NS-Propagandaminister Joseph Goebbels kennen und geriet mit ihm aneinander. Wenn ihr später jemand dumm kam, dann pf egte sie zu sagen: „Ich habe den Goebbels überlebt. Dann überlebe ich das hier auch noch.“
Anfang der 50er Jahre kam Erika Krauß nach Hamburg. „Ich hörte, dass der ,Stern‘ einen Fotografen suchte. Also bin ich zum Pressehaus am Speersort und habe mich bei Henri Nannen vorgestellt. Aber der hat nur gesagt: ,Tut mir leid, mit Frauen arbeite ich nicht!‘ Eine Etage tiefer, bei Gerd Bucerius von der ,Zeit‘, bekam ich die gleiche Antwort. Meine letzte Chance: die Morgenpost, die im ersten Stock ihre Redaktion hatte. ,Was willst du denn hier?‘, rief mir jemand zu. Es war Heinrich Braune, der Chefredakteur. Dem war mein Geschlecht egal. Ich bekam den Job.“Spannende Jahre folgten. Es war eine Zeit wie gemacht für einen Reporter. „In der Stadt herrschte Auf ruchstimmung. Alle krempelten die Ärmel hoch und bauten wieder auf“, schwärmte Erika Krauß einmal. „Und wen ich damals ales sehen und fotografieren durfte! Marlene Dietrich, Lale Andersen, Hildegard Knef. Und den Hitchcock! Was für ein Spaßvogel! Extra für mich hielt er sich ein Messer an den Hals, als wolle er sich selbst richten.“
Alle Hamburger Bürgermeister der Nachkriegszeit hat Erika Krauß miterlebt, denn das Rathaus war so etwas wie ihr zweites Zuhause. Staatsempfänge, Pressekonferenzen, Bürgerschaftssitzungen – jahrzehntelang war sie mit dabei. Und je älter sie wurde, desto mehr hielten die Politiker die schützende Hand über sie. Ein Fototermin ohne Erika? Das ging nicht, entschied ein Klose, ein Voscherau oder ein von Beust. Nein, da wurde eben ein bisschen gewartet.
Es gibt einen Ham-
burger Politiker, der zwar nie Bürgermeister geworden ist, mit dem Erika aber ebenfalls eine lange Freundschaft verband: Helmut Schmidt. Zu ihrem 80. Geburtstag schickte der Altbundeskanzler 1997 einen Brief, aus dem sehr viel Wärme und Zuneigung sprechen: „Früher hatten wir mal Hummel, der mit’n Wassereimern. Aber heute hab’n wir Erika Krauß mit all ihre’ Tüdelbänder um’n Hals. Sie soll’n hochleben, Sie Original, Sie!“
Erika Krauß starb am 26. Juni 2013. Sie wurde 96 Jahre alt. Wir halten ihr Andenken in Ehren.