WutBürger hortet 114 Pistolen und Gewehre
Pinneberg: Polizei stürmt das Haus von Henning von S. und beschlagnahmt 1,5 Tonnen Waffen und Munition
Von THOMAS HIRSCHBIEGEL und ANASTASIA IKSANOV
Er beschimpft Angela Merkel, führt einen privaten Kleinkrieg gegen den Pinneberger Landrat und legt sich mit Gott und der Welt an: Henning von S. (62) ist ein durchgeknallter „Wutbürger“, wie er im Buche steht. Nun hat die Polizei sein Haus gestürmt und die rekordverdächtige Menge von 71 000 Schuss Munition und 114 scharfen Schusswaffen entdeckt.
Der etwa 1,90 Meter große Mann mit dem zotteligen Bart war bis vor zwölf Jahren Leiter des Sprengstoffreferats im Hamburger Amt für Arbeitsschutz. Nach eigenen Angaben betreute er unter anderem jedes Jahr die Dom-Feuerwerke und war auch an der Sprengung des Iduna-Hochhauses 1995 beteiligt. Außerdem war er anerkannter Waffensachverständiger.
Deswegen erhielt er an seinem Wohnort Pinneberg auch eine „Rote Waffenbesitzkarte“. Dadurch war es ihm erlaubt, eine unbegrenzte Anzahl von Waffen legal zu erwerben – und davon machte der Hüne regen Gebrauch. Von der Armeepistole aus dem Ersten Weltkrieg bis zur derzeit größten Faustfeuerwaffe der Welt – der „Desert Eagle“– hatte Henning von S. alles gebunkert. Doch 2015 zweifelte der Kreis Pinneberg an, dass er noch als Sachverständiger tätig ist, und forderte einen Nachweis. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Henning von S. und dem Amt.
Dort hegte man offenbar immer deutlichere Zweifel am Geisteszustand des Mannes.
Er wurde vom Amt aufgefordert, sich psychiatrisch untersuchen zu lassen. Als das Ergebnis für ihn negativ ausfiel, beschimpfte Henning von S. den Gutachter im Internet. Auch die Kreisjägerschaft warf den Sachverständigen raus. Der fühlte sich immer mehr von aller Welt verfolgt und machte einen Hauptschuldigen aus – den Landrat Oliver Stolz.
Henning von S. damals: „Ich wurde denunziert. Ich werde mich wehren mit allem, was mir rechtsstaatlich zur Verfügung steht. Sorgen wir dafür, dass das Pendel zur gottgefälligen Seite ausschlägt.“Als er den Landrat als „Schwerkriminellen“bezeichnete und Dutzende Hasstiraden ins Netz stellte, war das Maß voll: Die nötige „Zuverlässigkeit“für den Waffenbesitz war nicht mehr gegeben und Henning von S. wurde aufgefordert, die Waffen abzugeben.
Weil er das nicht tat, kam die Polizei am Donnerstag um 5 Uhr. Die sichergestellten Knarren und die Munition wogen 1,5 Tonnen! Henning von S. leistete Widerstand, wurde in Gewahrsam genommen, aber wieder entlassen. Aus Angst vor seiner „Rache“bekam das Kreishaus Polizeischutz.
Die MOPO klingelte gestern in seiner heruntergekommenen Villa in Pinneberg. Freundlich bat Henning von S. die Reporter ins Haus. Dort hortet der 62-Jährige säckeweise Getreide, Reis, Konserven und Knäckebrot. Er sagte: „Ich bereite mich auf die nächste große Wirtschaftskrise vor.“Auf die Frage, ob es nicht etwas zu viele Waffen gewesen seien, entgegnete er: „Ich neige manchmal zur Übertreibung ...“ In dieser etwas heruntergekommenen Villa mit verwildertem Garten wohnt Henning von S.