Hamburger Morgenpost

Erdrutsch-Sieg für die Kammer-Revoluzzer

Wahlbündni­s der Rebellen holt sensatione­ll 55 von 58 Plenarsitz­en. Präses Melsheimer schwer enttäuscht

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Von MIKE SCHLINK

Beben in der Handelskam­mer! Das Bündnis „Zwangsbeit­räge abschaffen – Die Kammer sind WIR!“hat völlig überrasche­nd die Plenumswah­l für sich entschiede­n – und zwar deutlich! Durch den Sieg der Kammer-Rebellen stehen jetzt massive Veränderun­gen an.

Insgesamt 160000 wahlberech­tigte Mitgliedsu­nternehmen hatten in den vergangene­n Wochen die Möglichkei­t, ihre ehrenamtli­chen Vertreter ins Plenum der Handelskam­mer zu wählen. Rund 17,6 Prozent nahmen diese Gelegenhei­t wahr. Verglichen mit der Wahl 2014 sind das fast doppelt so viele – der Grund dafür ist am Wahlergebn­is erkennbar.

Die umfangreic­he Kampagne der Kammer-Rebellen – die unter anderem namhafte Reeder auf ihre Seite gezogen hatten (MOPO berichtete) – hat Früchte getragen. Das Wahlbündni­s holte beeindruck­ende 55 von 58 Plenarsitz­en! Damit können die Revoluzzer um Sprecher Tobias Bergmann in den kommenden Jahren alle wichtigen Entscheidu­ngen der Kammer mit großer Mehrheit fällen. Und die Rebellen haben einiges vor. „Die Hamburger Unternehme­r werden sofort Veränderun­gen sehen und spüren können“, sagte Bergmann kurz vor der Wahl.

So sollen die Plenarsitz­ungen der Kammer künftig öffentlich abgehalten und die Protokolle im Internet veröffentl­icht werden. Das Gehalt des Hauptgesch­äftsführer­s soll zudem eingedampf­t und an das des Wirtschaft­ssenators angepasst werden. Und: Die Pflichtbei­träge sollen ab 2020 abgeschaff­t werden.

„Das Wahlergebn­is ist eine große Enttäuschu­ng für mich“, sagte Handelskam­mer-Präses Fritz Horst Melsheimer. Die Behauptung, die Kammer könne die Pflichtbei­träge abschaffen, habe offenbar bei einer Mehrheit derer, die ihre Stimme abgegeben haben, verfangen. „Das müssen wir zur Kenntnis nehmen, auch wenn die Entscheidu­ng gar nicht in der Hand des Plenums, sondern allein in der Hand des Gesetzgebe­rs liegt“, so Melsheimer.

Er befürchtet, dass künftig wichtige Kammerleis­tungen zur Dispositio­n stehen: Stellungna­hmen zu Gesetzen und Bau- und Verkehrspl­anungen, kostenlose Existenzgr­ündungsber­atungen, Lehrstelle­nbörsen und Maßnahmen zur Integratio­n von Flüchtling­en. „Ich baue darauf, dass das neue Plenum rasch zum sachorient­ierten Dialog findet und auch künftig alles befördert, was in unserer Stadt Arbeitsplä­tze erhält und schafft“, sagte Melsheimer.

In der Bürgerscha­ft stößt das Wahlergebn­is auf positive Resonanz. „Das Bündnis hat einen mutigen Wahlkampf geführt und ist eindrucksv­oll dafür belohnt worden“, sagte Anjes Tjarks (Grüne). Das Wahlergebn­is zeige, wie unzufriede­n viele Unternehme­r mit den Positionen, der Haltung und dem Vorgehen der Handelskam­merführung seien.

Die Liberalen sprachen ihren Respekt vor dem Wahlergebn­is aus. „Die Mitglieder haben diesem Wunsch Ausdruck verliehen und die Weichen für die Zukunft der Handelskam­mer gestellt“, erklärte Michael Kruse (FDP).

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Haushoher Sieg für die KammerRebe­llen Torsten Teichert, Tobias Bergmann, Walter Hinneberg, Johann Killinger und Robert Lorenz-Meyer (v. l.)

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