„Hühnerp ...aus dem Posta osten "ein amt wurde
17.6.1906 Eine alte Postkarte erinnert an die Einweihung vor genau 111 Jahren
Im Zeitalter sozialer Medien, von E-Mails und WhatsApp ist die gute alte Postkarte nur noch etwas für Traditionalisten. Oder für Sammler wie Günther Klebes aus Erlangen in Franken. Soeben hat der 68-Jährige eine Ansichtskarte erstanden, die eine kleine Sensation darstellt: Die sehr seltene Aufnahme eines Gebäudes, das in Hamburg jeder kennt, von dessen langer Geschichte aber nur die wenigsten etwas wissen – das Postamt Hamburg 1, das am 17. Juni 1906 seinen Betrieb aufnahm.
„Hühnerposten“, so wird das Haus im Volksmund genannt. Genau wie die etwa 150 Meter lange Straße, an der es gelegen ist. Bereits seit 1682 hat der Weg, der sich damals außerhalb des Stadtwalls befindet, diesen Namen. Woher er kommt, dafür gibt es zwei Erklärungen. Die eine: An dem Ort befand sich ein vorgeschobener Wachposten, der wegen seiner ländlichen Lage bei den Wachmannschaften unbeliebt war und dementsprechend „Hühnerposten“ge- schmäht wurde. Die an- dere: Dort stand ein Wirtshaus, in dem die Damenwelt beim Tanz die bunten Röcke fliegen ließ – wilde „Hühner“eben. Welche dieser Legenden näher dran ist an der Wahrheit, wissen wir nicht.
Von ländlicher Idylle ist am Hühnerposten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nichts mehr vorhanden. Die Industrialisierung hat Hamburg fest im Griff. Nachdem die Eisenbahn Einzug gehalten hat, befindet sich am Hühnerposten der Bahnhof Klosterthor, einer von vier Bahnhöfen, die es damals in der City gibt.
Um die Jahrhundertwende verändert Hamburg sein Antlitz total. Es ist Gründerzeit. Und das nimmt man in der Hansestadt wörtlich: Seit neun Jahren ist das neue Rathaus in Betrieb. Die Mönckebergstraße ist im Bau. Und 1903 beginnt die Stadt auch noch mit der Errichtung eines Hauptbahnhofes, der die vier alten Bahnhöfe überflüssig macht.
Zeitgleich errichtet der Geheime Baurat Paul Schuppan am Hühnerposten das neue Zentralpostamt, das sogar noch ein paar Monate vor der Eröffnung des Hauptbahnhofs seiner Bestimmung übergeben wird. Viele Jahrzehnte lang werden hier Briefe aus der gesamten Stadt gesammelt und anschließend per Eisenbahn in alle Himmelsrichtungen weitertransportiert.
Nach dem Ersten Weltkrieg nimmt der Postverkehr erheblich zu, so dass eine Erweiterung nötig wird. Da die Grundstücksgröße einen Ausbau in der Fläche nicht zulässt, wird das ehemals zwei- bis dreigeschossige Gebäude zwischen 1923 und 1927 um zwei Voll- und zwei Staffelgeschosse in gotisch-expressionistischem Stil aufgestockt und erhält sein heutiges Aussehen.
Inzwischen werden in dem Gebäude keine Postsäcke mehr geschleppt. Es ist jetzt der Sitz der Zentralbibliothek der Hamburger Öffentlichen Bücherhallen. Auffällig sind die beiden Figuren mit den sehr langen Beinen auf dem Vorplatz: „Mann und Frau“, ein Werk des berühmten Bildhauers Stephan Balkenhol.
1905, als das Bild auf der Postkarte entsteht, ist das BahnpostGebäude übrigens noch gar nicht ganz fertig. Günther Klebes, der die Karte auf einer luxemburgischen Auktion ersteigerte, weist auf einige Details hin: „Vor den großen Maueröffnungen im Erdgeschoss stehen noch Bauzäune“, sagt er, „der Bau ist also noch voll im Gange.“
Nicht nur das abgebildete Gebäude, auch die Karte selbst hat eine Geschichte. Abgeschickt als „Feldpostkarte“ohne Briefmarke und Stempel ging sie 1917 nach Danzig. Sie ist der Gruß einer Mutter an ihren Sohn, der als Rekrut an die Front muss. Auf Umwegen ist die Karte dann nach Israel gekommen. Vielleicht im Gepäck eines Juden, der vor den Nazis flüchtete? Dort lebt jedenfalls der Sammler, in dessen Besitz sie sich zuletzt befand.