Lothar Matthäus So kann der HSV die Bayern knacken
In der MOPO spricht der 55-Jährige über den Klassiker Rekord-Nationalspieler: „Kein Platz für Thomas Müller“
Lothar Matthäus ist nicht nur einer der größten deutschen Fußballer aller Zeiten und mit 150 Einsätzen Rekord-Nationalspieler des DFB, sondern auch eine Legende des FC Bayern: Mit München wurde er sieben Mal Meister! Als Experte verfolgt der 55-Jährige intensiv das Geschehen in der Liga. Die MOPO sprach mit Matthäus über…
…den Nord-Süd-Klassiker zwischen seinem Ex-Klub und dem HSV am Sonnabend in der Allianz-Arena:
„Der HSV muss gegen den FC Bayern defensiv kompakt auftreten, um den Münchnern wenig Räume zu geben. Dafür bietet sich eine Fünferkette an, wie es andere Vereine schon unter Beweis gestellt haben. Oder eine Viererkette mit drei defensiven Mittelfeldspielern davor.“
…die vielen Last-Minute-Tore des FC Bayern im bisherigen Verlauf der Saison:
„Gleich in mehreren Spielen so späte Tore zu erzielen, ist schon eine besondere Qualität. Aber auf diese kann man sich nicht immer verlassen. Was wäre gewesen, wenn der Schiedsrichter in Berlin nach fünf Minuten Nachspielzeit abgepfiffen hätte? In dem Fall war es allein schon wegen der Berliner Auswechslungen in
der Nachspielzeit berechtigt, noch eine Minute dranzuhängen. Trotzdem macht das nicht jeder Unparteiische. Doch die Bayern erarbeiten sich diese Situationen mit ihrem Willen und ihrem Glauben, das hat man ja in Freiburg und Ingolstadt gesehen. Deshalb ist die Punkteausbeute auch absolut zufriedenstellend. Sie überdeckt aber die Leistungen, die größtenteils nicht souverän sind.“
…die zwei Gesichter des Teams, bissig in der Champions League, meist bieder in der Meisterschaft:
„Ich wünsche ihnen, dass es bis zum Ende gut geht. Aber das ist eine riskante Rechnung. Dass Carlo Ancelotti ein ChampionsLeague-Experte ist, ist kein Geheimnis. Bei seinen vorherigen Vereinen ging das jedoch öfter mal zu Lasten der Meisterschaft. Da hat er jetzt fünf Punkte Vorsprung, in diesem Jahr stimmen auch in der Liga die Ergebnisse. Ich glaube, dass den Bayern ein bisschen mehr Überlegenheit bei ihren Siegen gut tun würde für den ganz großen Erfolg. Das gibt noch mehr Selbstvertrauen als späte Tore. Allerdings machen es ihnen die Gegner auch schwer.“
…die heutige Bayern-Mannschaft im Vergleich zu dem so erfolgreichen Team unter Trainer Ottmar Hitzfeld:
„Das kann man nicht vergleichen, denn unter Ottmar Hitzfeld waren wir der Liga-Konkurrenz damals nicht so weit enteilt wie es der FC Bayern heute ist. Jetzt scheinen die anderen Vereine aber wieder ein wenig aufzuholen, für die Bayern wird es wieder schwieriger. Auch das Auftreten ist nicht vergleichbar. Wenn man etwas miteinander vergleichen kann, dann die TrainerTypen. Da sehe ich Parallelen. Ancelotti ist genau wie Hitzfeld ein Coach, der sehr menschlich ist, auf die Spieler zugeht und das Gespräch sucht. Das erinnert mich zudem an Jupp Heynckes. Auch der hat viel in den zwischenmenschlichen Bereich investiert, während dieser Teil von Pep Guardiola eher vernachlässigt wurde. Ich würde Ancelotti als jungen Jupp Heynckes bezeichnen, der seine Spieler schützt und sich immer vor seine Mannschaft stellt. Das kommt bei den Stars gut an.“
…den überragenden Auftritt in der Königsklasse gegen den FC Arsenal (5:1):
„Da hat Arsene Wenger das Spiel leichtfertig hergeschenkt. Aus meiMannschaft ner Sicht hat er taktische Fehler gemacht, Arsenal hätte ganz anders agieren müssen. Besonders in der Defensive. Wie haben es teilweise sogar mittelklassige Teams aus der Bundesliga geschafft, den Bayern Probleme zu bereiten? Ich habe es eingangs angesprochen: Mit einer Fünferkette. Da denke ich direkt an Hoffenheim, Frankfurt, Köln, Dortmund und zuletzt Schalke. Alle haben es vorgemacht. Immer, wenn sich die Bayern mit einer Fünferkette konfrontiert sahen, bekamen sie Schwierigkeiten, weil sie auf den Außen nicht die Räume bekamen wie zum Beispiel gegen Arsenal. In diesen Spielen haben sie ihre Punkte liegengelassen. Wenn ein Gegner mit einer Viererkette angetreten ist, hat der FC Bayern ihn mit seiner Qualität und seinem Willen gerne mal auseinandergenommen. So hat der FCB es am ersten Spieltag mit Werder Bremen gemacht, so hat man auch RB Leipzig dominiert.“
…Ancelottis taktische Reaktion auf defensiv und kompakt agierende Gegner: „Klar ist, dass Ancelotti Lösungen finden muss gegen Fünferketten. Es ist auch spannend zu sehen, wie die Bayern gegen eine agieren, die mit einer Viererkette und drei Sechsern davor antritt. So, wie es Hertha BSC gemacht hat. Ihre Defensive war dadurch sehr kompakt. Was dabei jedoch nicht untergehen darf: Bislang ist alles, was Ancelotti sich ausgedacht hat, aufgegangen. Er macht also ergebnistechnisch alles richtig.“
…die Abhängigkeit des FC Bayern von Schlüsselspielern wie Arjen Robben und Franck Ribéry angewiesen sowie die Entwicklung von Thiago und Robert Lewandowski:
„Als Stürmer ist Lewandowski meistens auf seine Mitspieler angewiesen. Er wird erst dann richtig gefährlich, wenn seine Kollegen in die Nähe des Strafraums kommen, Räume finden und ihn bedienen können. Dann macht er seine Tore. Bei aller Klasse muss er sich dafür aber auf andere Stars verlassen, speziell auf Robben, Ribéry und auch Thiago. Auf diese drei kommt es besonders an. Sie sind die Zubringer für Lewandowski, sie müssen das Spiel an sich reißen und die entscheidenden Szenen kreieren. Inzwischen weiß man, wie Ancelottis System funktioniert. Um erfolgreich zu sein, sind Robben, Ribéry und Thiago unersetzlich. Wenn diese drei zusammen mit Lewandowski auf dem Platz stehen, ist die Chance auf den ChampionsLeague-Titel wesentlich größer, als wenn der Trainer auf einen oder sogar zwei von ihnen verzichten muss. Er hat seine Stammelf für die großen Spiele gefunden, da gibt es auch keine Überraschungen mehr. Das ist nichts gegen Thomas Müller. Ich mag ihn und weiß, was er geleistet hat. Nur im System von Ancelotti gibt es bei entscheidenden Spielen keinen Platz für ihn.“
…die Chancen der Münchner auf den Titelgewinn in der Königsklasse:
„Ein dickes Ausrufezeichen haben sie mit dem Auftritt gegen Arsenal eindeutig gesetzt. Aber das hat Paris St. Germain zum Beispiel auch getan. Es gibt mehrere Mannschaften, die man nicht im Vorbeigehen schlägt. Paris gehört dazu. Ich hatte die Franzosen schon vor der Saison auf dem Zettel, die Truppe hat große Qualität. Ich kenne den Verein und weiß, was in Paris möglich ist. Und wenn das Team es schafft, die Leistung vom 4:0 gegen Barcelona öfter abzurufen, dann wird es auch für den FC Bayern ganz, ganz schwer, an Paris vorbeizukommen.“
„Gleich in mehreren Spielen so späte Tore zu schießen, ist eine besondere Qualität.“ „Sieg gegen Arsenal? Das Spiel hat Arsene Wenger leichtfertig hergeschenkt.“ „Um erfolgreich zu sein, sind Robben, Ribéry und Thiago für den FC Bayern unersetzlich.“