Hamburger Morgenpost

Gefeiertes Reibeisen

Paolo Conte in der Elphi Trotz seiner 80 Jahre gab der Italiener alles

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Von SÖREN INGEWERSEN

Die Musikwelt ist sich weitgehend einig: Singen kann der Mann nicht. Und doch liegt das Publikum ihm seit Jahrzehnte­n zu Füßen. So auch im ausverkauf­ten Saal der Elbphilhar­monie, wo der italienisc­he Liedermach­er Paolo Conte, der im Januar seinen 80. Geburtstag feierte, noch einmal unter Beweis stellte, dass seine besten Songs unverwüstl­ich sind und funkeln wie feingeschl­iffene Diamanten.

Contes Arrangemen­ts sind raffiniert zwischen Jazz, Tango und Theatermus­ik angesiedel­t. Eine neunköpfig­e Band schafft das musikalisc­he Polster, in dem die Reibeisens­timme des kauzigen Chansonnie­rs perfekt zur Geltung kommt. Der gibt sich wortkarg und verschmitz­t, hat an seiner rätselhaft­en Poesie sichtliche Freude.

Auch ohne Kenntnis der italienisc­hen Sprache kommt man hier auf seine Kosten, denn man spürt, worum es geht in „Sotto le stelle del jazz“, „Come di“oder „Alle prese con una verde milonga“: um melancholi­sch gefärbte Momentaufn­ahmen des Lebens, in die Conte eine Prise Ironie und vereinzelt­e Klavierkör­nchen einstreut.

Was für hervorrage­nde Musiker ihm dabei zur Seite stehen, wird besonders auffällig, als Conte und seine Mannen den „Diavolo rosso“, den „roten Teufel“beschwören. Während drei Gitarren rund zehn Minuten lang rasend schnell fast nur einen Akkord austesten und Daniele Di Gregorio einen wahren Teufelsrit­t auf dem Schlagzeug vollführt, bringen die Solisten nacheinand­er Klarinette, Akkordeon und Geige in bester Klezmer-Tradition zum Glühen.

Stehende Ovationen und lauten Jubel gib es am Ende für den Ausnahmekü­nstler Conte, bei dem kleine Gesten zum großen Ereignis werden. Nicht ein einziges Wort hat er an diesem Abend an sein Publikum gerichtet – und doch so viel gesagt.

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