Von der Staatsoper an den Tresen der „Haifisch-Bar“
Hinter dem Tresen der „Haifisch-Bar“hängt eine Galerie der Stars, die hier getrunken haben. Heidi Kabel, Götz George, Jan Feddersen, allesamt aus der Abteilung „Schenk noch mal nach“. Dass Anna Netrebko oder Placido Domingo im „Hai“vorbeischauen? Eher unwahrscheinlich. Aber dann sitzt Massimo Giordano, der Star-Tenor aus Italien, am Tresen im „Hai“! So gesehen eine Premiere vor der Premiere von „Tosca“an der Staatsoper. Er bestellt Apfelschorle. „Muss noch proben“, meint er. Wir lernten uns vor einigen Jahren in seiner Heimatstadt Neapel kennen und wurden Freunde. Ich habe ihn öfter besucht, wenn er sang: in der Royal Opera von London, in der Wiener Staatsoper oder in der Dresdner Semperoper. Massimo gehört zu den fünf besten Tenören der Welt. Sein Leben: Auftritt in Seoul, Zwischenstopp in Beirut, Privatkonzert in Baden-Baden, weiter nach London. Die Welt der Oper ist eine Welt der Roben, der feinen Gesellschaft. Sie ist, da stimmt jedes Klischee, auch eine Welt der Diven. In Wien wurde ich Zeuge, wie die rumänische Star-Sopranistin zehn Minuten vor dem Auftritt eine fulminante Szene hinlegte, inklusive eines fliegenden Blumenbouquets – weil sie sich ungerecht behandelt fühlte. Warum, wurde nicht klar, aber das Gezeter war groß, bis sich alles in Wohlgefallen auflöste. Massimo, der „Maestro“, beobachtete alles mit einem Grinsen. Er ist so etwas wie der Straßenköter auf den großen Bühnen. In einem düsteren Viertel in der Nähe von Neapel wuchs er auf, sein Talent fiel erst spät auf. Als er, der Sohn des Hausmeisters im Konservatorium, zur allgemeinen Belustigung auf Partys sang. Sein Talent und seine Disziplin brachten ihn auf die Bühne der New Yorker Met. Kritiker verglichen ihn sogar mit dem legendären Tenor Caruso. Mit seiner Familie lebt er heute in einer Villa in Trient, einer Hafenstadt an der Adria. „So eine Bar fehlt bei uns“, meint er und lauscht „Hai“Wirt Gert, der Geschichten erzählt: über das Gemälde mit dem Schnitt, wo die Axt eines Fischers landete, den Wolpertinger aus Bayern, die Lampe der trinkfesten Trucker. Massimo lacht. Am Abend schreibt der Bar-Chef eine Nachricht: „Habe selten einen so sympathischen Menschen getroffen. Feiner Kerl!“Kennenlernen kann ihn die Stadt kommende Woche: bei der Premiere in der Staatsoper.