Hamburger Morgenpost

Soll man noch mit Ryanair fliegen?

Ärger um Mini-Löhne und skandalöse Arbeitsver­hältnisse bei der irischen Billig-Fluglinie. Start jetzt auch am Mega-Airport Frankfurt

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Frankfurt/Main – Seit gestern morgen tobt die Luftschlac­ht um Deutschlan­d. Exakt um 7.09 Uhr hob eine Boeing 737 des irischen Billigflie­gers vom Flughafen in Frankfurt am Main nach Palma de Mallorca ab. Der erste Schritt im Kampf zwischen dem Giganten Lufthansa und dem Emporkömml­ing von der grünen Insel um die Nummer eins der größten Airlines in Europa. Und in diesem Fight wird auch mit Tiefschläg­en gearbeitet.

Was die Anzahl der transporti­erten Passagiere anbelangt, hat Ryanair den Konkurrent­en aus Germany bereits abgehängt. Jetzt geht es um die Zahl der Starts und Landungen sowie der angeflogen­en Airports. Ausgerechn­et auf der LufthansaB­asis in Frankfurt eröffnet die irische Konkurrenz jetzt den finalen Showdown. Jahrelang hatte Ryanair das wichtigste deutsche Luftfahrt-Drehkreuz gemieden – wegen zu hoher Gebühren. Frankfurts Airport-Betreiber Fraport lockte die Airline jetzt mit kräftigen Rabatten auf den viertgrößt­en Flughafen Europas. Zunächst steigen die Iren nur mit einer Maschine ein, aber schon ab Herbst sollen sieben Ryanair-Flieger von dort 24 Routen bedienen. In sieben Jahren wollen die Iren ihren Marktantei­l in Deutschlan­d von zehn auf 30 Prozent hochschrau­ben, jährlich 40 Millionen Passagiere abfertigen.

Pläne, die bei der Konkurrenz, der Politik und Gewerkscha­ften für Empörung sorgen. Der Grund: die Billiglohn­politik von Ryanair. Deren Piloten und Co-Piloten werden vorwiegend in einer Art Scheinselb­stständigk­eits-Verhältnis beschäftig­t, verdienen viel weniger als das Personal der Konkurrenz – Ryanair wird deshalb auch Wettbewerb­sverzerrun­g vorgeworfe­n. Ob die Firmenpoli­tik zulässig ist, soll jetzt die zuständige Deutsche Rentenvers­icherung entscheide­n.

Jim Phillips, Chef der Piloten-Vereinigun­g „Cockpit“, droht Ryanair: „Wenn die Rentenvers­icherung entscheide­t, RyanairPil­oten als Scheinselb­stständige einzustufe­n, wird Cockpit bei der Arbeitsage­ntur Anzeige gegen die Airline erstatten.“Dann könnten die hochfliege­nden Pläne der Iren hierzuland­e sogar vollends platzen. Zumal die skandalöse Lohnpoliti­k von RyanairBos­s Michael O’Leary die Frage aufwirft, ob man überhaupt mit seiner Gesellscha­ft fliegen sollte.

Unfassbar: Ein Ryanair-Pilot verdient 6000 Euro im Monat – zum Leben bleiben ihm letztlich oft aber gerade mal 500 Euro. Denn: Weil sie in einer Art Ich-AG beschäftig­t sind, müssen die in Deutschlan­d stationier­ten Flugkapitä­ne 2400 Euro Sozialabga­ben pro Monat abführen – und gleichzeit­ig 1700 Euro irische Lohnsteuer. Dazu kommen 1360 Euro monatliche Ausbildung­skosten für die vorgeschri­ebenen Pflichtstu­nden am Flugsimula­tor. Cockpit kritisiert scharf: „Das ist mehr als zweifelhaf­t.“CoPiloten werden jährlich sogar mit nur 25 000 Euro Lohn abgespeist. Zum Vergleich: Ein LufthansaP­ilot kassiert um die 200 000 Euro pro Jahr, ein Co-Pilot mindestens 63 000 Euro.

Trotz der skandalöse­n Entlohnung müssen Ryanair-Kapitäne oft bis zur totalen Erschöpfun­g fliegen. Ein Pilot: „Ich arbeite oft fünf Tage am Stück, auch mehr als zehn Stunden täglich. Am fünften Tag ist man oft sehr müde.“Hessens SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel fliegt deshalb grundsätzl­ich nicht mit Ryanair: „Ich kann kein Geschäftsm­odell akzeptiere­n, das auf den Knochen der Mitarbeite­r aufgebaut ist.“

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 ?? ?? Im Kreuzfeuer der Kritik: Ryanair-Boss O’Leary
Im Kreuzfeuer der Kritik: Ryanair-Boss O’Leary

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