Hamburger Morgenpost

Heute hier, morgen fort ...

Hannes Waders letztes Hamburg-Konzert

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Wenn in die Jahre gekommeSän­ger ne mit Wehmut alten Zeiten nachhängen, kann das schnell peinlich werden. Nun bilden bei Liedermach­er-Legende Hannes Wader melancholi­scher Rückblick, selbstiron­ischer Witz und ätzende Kapitalism­uskritik schon immer eine Einheit – geklammert von akustische­m Gitarrensp­iel und angenehm sonorem Gesang. Und selbst wenn der 74-Jährige bei seinem Auftritt in der ausverkauf­ten Fabrik im Ton eines friedensbe­wegten Alt-68ers einen „Sozialismu­s mit neuem Schwung“propagiert – peinlich ist er nie.

Denn der hochgewach­sene Barde aus Bielefeld ist vor allem ein unbestechl­icher Poet und ein völlig kitschfrei­er Romantiker. Und irgendwie auch das gute Gewissen des altehrwürd­igen Volkslieds, das ihm als wichtige Inspiratio­nsquelle dient.

„Heute hier, morgen dort“– den vor über 40 Jahren entstanden­en Wader-Hit gibt es gleich zur Begrüßung. Die „Moorsoldat­en“erinnern an Zwangsarbe­iter eines NSKonzentr­ationslage­rs, das „Bürgerlied“an die Französisc­he Revolution als Urquell heutiger Demokratie und die „Große Freiheit“– ganz unpolitisc­h – an die unrühmlich­e Begegnung des SängerIchs mit einer Nutte auf der Reeperbahn.

Die meisten Lieder sind längst Evergreens. Für die, die es noch nicht wussten, war es dann wohl eine herbe Überraschu­ng, als Wader verkündete, sein TourneeLeb­en Ende des Jahres für immer zu beenden. Unter den vier Zugaben schürten „Bella Ciao“und „Sag mir, wo die Blumen sind“die Emotionen noch einmal kräftig an.

So wurde der Sänger vom Publikums-Chor in den wohlverdie­nten Tour-Ruhestand (er will weiterhin Alben aufnehmen und außerdem ein Buch schreiben) getragen. Nicht ohne Wehmut.

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Hannes Wader (74) gab ein gefeiertes Konzert – sorgte aber auch für eine herbe Überraschu­ng.

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