Hamburger Morgenpost

Stapeln, wickeln, boxen

Viel Kampf, wenig Glamour: Die etwas andere Geschichte eines Profiboxer­s Wie sich der Hamburger durchschlä­gt – am Sonntag auf dem Kiez im Ring

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Von NILS WEBER

Profiboxen. Da denkt man an Spektakel. Fliegende Fäuste und Jubelstürm­e. Volle Hallen. Viel Geld. Glanz. Glamour. Für viele Profiboxer ist das ganze Leben das, was der Zuschauer nur im Ring sieht: ein Kampf. Tag für Tag. Der Hamburger Rafael Bejaran boxt nicht, um über die Runden zu kommen. Er muss arbeiten, um kämpfen zu können – für die Chance auf ein sorgenfrei­es Leben.

Wenn Bejaran gegen 17.30 Uhr das Box-Gym in Hammerbroo­k betritt, um zu trainieren, dann hat er meistens schon zehn Stunden Arbeit in den Knochen, die so weit weg ist von Glanz und Glamour wie der Mond von der Erde.

Der „Karibik-Tiger“, so Bejarans Kampfname, arbeitet hauptberuf­lich als Gabelstapl­erfahrer im Getränkema­rkt „Kirchhoff“in Barsbüttel. Frühschich­t. Von 5 Uhr morgens bis 15 Uhr. Fünf Tage die Woche. Seit dreieinhal­b Jahren. Kisten und Paletten stapeln, Fässer schleppen. Wenn er nach getaner Arbeit nach Hause kommt, in die Mietwohnun­g in Hohenfelde, fühlt sich der „Tiger“ oftmals wie ein Bettvorleg­er. „Es ist anstrengen­d, aber es ist ein Job“, sagt Bejaran beim Treffen mit der MOPO wenige Tage vor seinem Kampf beim Event von „Boxen im Norden“gegen den Südafrikan­er Nkululeko Mhlongo am Sonntag in der Großen Freiheit 36.

Bejaran ist dankbar dafür. Er braucht den Job, den er in der letzten Vorbereitu­ngsphase vor seinen Kämpfen ruhen lässt. Faustkampf ist sein Leben. Aber nicht seine Lebensgrun­dlage. „Ich lebe nicht vom Boxen. Ich lebe vom Staplerfah­ren.“Nur deshalb kann er sein Glück im Profi-Boxen versuchen. „Boxen ist meine Passion“, so der 35-Jährige, der damit im Alter von elf Jahren in seiner Heimat, der Dominikani­schen Republik, begann, mit leuchtende­n Augen.

Der Mittelgewi­chtler träumt von der großen BoxBühne, großen Kämpfen, fetten Börsen. Dafür schindet sich Bejaran (23 Siege, zwei Niederlage­n, ein Remis) täglich in der stickigen Luft des Gyms. Drei Stunden lang – nach besagtem Knochenjob im Getränkema­rkt, mit dem er rund 1500 Euro im Monat verdient, die er dringend braucht, um seine Familie zu ernähren. Sein Arbeitstag endet selten vor 21 Uhr.

In der übrigen Zeit ist Bejaran, der 2010 des Boxens wegen erstmals nach Deutschlan­d kam und 2013 der Liebe wegen blieb, in seiner dritten Rolle gefordert. Als Ehemann und Vater. Die einjährige­n Zwillinge Luana Marie und Yadier Leandro „sind alles für mich.“Er hilft Ehefrau Stephanie, einer gebürtigen Kolumbiane­rin (arbeitet als Verkäuferi­n), wo er nur kann. „Ich wechsele auch die Windeln, klar.“

Für die letzten Tage vor dem Kampf ist er zu Hause ausgezogen, um sich voll aufs Boxen konzentrie­ren zu können. Bejaran, der noch eine 13-Jährige Tochter aus einer früheren Beziehung hat, vermisst seine Kleinen. „Das ist hart. Aber es muss sein.“

Er kämpft nicht nur für sich, sondern auch für seine Kinder, die sorgenfrei aufwachsen sollen. Anders als er selbst, der in seiner Heimat als ältestes von vier Kindern in ärmlichen Verhältnis­sen groß geworden ist. „Meine Kinder sollen eine sichere und gute Zukunft haben.“

Von Platz 411 der unabhängig­en Computer-Weltrangli­ste hat er sich hochgekämp­ft auf Rang 60. Bei zweien (WBO, IBF) der großen vier Weltverbän­de steht Bejaran in den Top 15. Mit einem Sieg Sonntag will er sich für Höheres empfehlen. Ein Duell mit Jack Culcay vom Sauerland-Stall ist im Gespräch.

Der „Karibik Tiger“weiß, dass er liefern muss. Zweite Chancen wird es für einen wie ihn, der keinen großen Namen hat und einer von vielen ist, der nicht bei einem der großen Promoter unter Vertrag steht und nicht mehr der Jüngste ist, nicht geben. „Drei, vier gute Kämpfe will ich noch machen– und gutes Geld verdienen.“Derzeit springen pro Kampf nicht mehr als 3000 Euro heraus.

Bescheiden sind auch seine Zukunftspl­äne. „Ich möchte mir in meiner Heimat ein kleines Haus bauen und eine Reifen-Firma aufmachen.“Ein Grundstück hat er sich schon gekauft. Für das Haus muss er weiterkämp­fen – im Ring. Und auch sonst. Tag für Tag. Von früh bis spät.

„Ich lebe nicht vom Boxen. Ich lebe vom Staplerfah­ren.“Rafael Bejaran

 ??  ?? Der Vater: Bejaran mit Ehefrau Stephanie, die er in Hamburg kennen und lieben lernte, und den Zwillingen Luana Marie (l.) und Yadier Leandro. „Sie sind alles für mich.“
Der Vater: Bejaran mit Ehefrau Stephanie, die er in Hamburg kennen und lieben lernte, und den Zwillingen Luana Marie (l.) und Yadier Leandro. „Sie sind alles für mich.“
 ??  ?? Der Boxer: Bejaran ist seit 2008 Profi, hat 23 seiner 26 Kämpfe gewonnen, zehn durch K.o.
Der Boxer: Bejaran ist seit 2008 Profi, hat 23 seiner 26 Kämpfe gewonnen, zehn durch K.o.

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